Energie:Springt Katar ein, wenn Russland das Gas abdreht?

Lesezeit: 3 min

Will die Gasproduktion steigern: Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani, der hier auf einem Hochhaus abgebildet ist. (Foto: Kamran Jebreili/dpa)

Etwa die Hälfte der Erdgaslieferungen nach Deutschland kamen bislang aus dem Osten. Hoffnungen auf kurzfristigen Ersatz richten sich vor allem auf das Golf-Emirat.

Von Thore Schröder, Beirut

Noch ist genug Gas da, um über den restlichen Winter zu kommen, auch wenn Russland als Reaktion auf immer härtere Sanktionen den Gashahn zudreht. Zu diesem Schluss kam der Branchenverband der Speicherunternehmen in Deutschland vor wenigen Tagen. In Deutschland wurden vergangenes Jahr 10 Prozent des Stroms aus Erdgas erzeugt. 88,4 Prozent waren importiert worden, etwa die Hälfte davon aus Russland. Die Verstromung aus Gas gilt als wichtige Brückentechnologie beim Ausbau der Versorgung mit erneuerbaren Energien. Trotz dieser Bedeutung hatte sich die deutsche Politik bislang stark auf Russland verlassen.

Im Gegensatz zu den Nachbarländern hat die Bundesrepublik nicht mal ein eigenes LNG-Terminal, also eine Anladestation für Flüssiggas (Liquefied Natural Gas). Nach jahrelang stockenden Planungen soll das nun endlich im niedersächsischen Stade entstehen. Doch allein das Genehmigungsverfahren dürfte noch ein- bis eineinhalb Jahre dauern. Deutsche Energieversorger werden also mittelfristig auf andere europäische Terminals angewiesen bleiben.

SZ PlusMeinungUkraine-Krise
:Russisches Gas ist eine gefährliche Waffe

Die Abhängigkeit von Russlands Rohstoffen führt ins Verderben. Die Ukraine-Krise sollte für Europa der letzte Weckruf sein. Es müssen Alternativen her - billig wird das allerdings nicht.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Wo sollen nun aber die Mengen herkommen? Bislang stammen 40 Prozent der europäischen Erdgasimporte aus dem Land, das Donnerstagfrüh die Ukraine überfiel. Ersatzlieferungen aus Europa sind kaum erhältlich. Norwegen produziert bereits bei voller Kapazität, die Niederlande wollen nach Erdbeben in der Region Groningen aus der Förderung aussteigen. In diesem Winter springen vor allem die Vereinigten Staaten in die Bresche. Die USA sind dank extensiver Schiefergasförderung (Fracking) zum weltweit größten Flüssiggasexporteur aufgestiegen - und halten so den Westen bisher auch bei der Energieversorgung zusammen.

Im Februar wird Europa den dritten Monat in Folge wichtigstes Lieferziel von US-Gas sein. Drei Viertel des amerikanischen LNG-Volumens gingen im Januar über den Atlantik, im Vergleich zum Vorjahresmonat hat sich die Liefermenge verdoppelt. Doch mehrere Kongressmitglieder sprachen sich nun für eine Kürzung der Exporte aus, um der Inflation im eigenen Land zu begegnen.

Viel Flüssiggas ist bereits verkauft, auch nach China

Auch deshalb hat US-Präsident Joe Biden vergangenen Monat Katars Emir Tamim bin Hamad al-Thani mit viel lobenden Worten im Weißen Haus empfangen. Das Emirat wurde gar zu einem wesentlichen Nicht-Nato-Verbündeten der USA erklärt. Es soll in der Krise als wesentlicher Gaslieferant für die Europäische Union einspringen.

Ob das aber binnen kurzer Zeit möglich ist, bleibt fraglich. "Bisher war Europa kein stabiler Markt für LNG", erklärt Georg Zachmann von der Denkfabrik Bruegel, "Deutschland etwa beabsichtigt, bis 2030 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen." Die Kataris ebenso wie die Amerikaner seien aber an langfristigen Abnahmemengen interessiert, nicht an der Rolle des Lückenbüßers, so Zachmann: "Das liegt an den hohen Investitionskosten bei der Förderung und der Umwandlung in LNG."

Flüssiggas entsteht bei einer Kühlung von Erdgas auf minus 162 Grad Celsius. In diesem Aggregatzustand nimmt der Stoff nur ein Sechshundertstel des Ursprungsvolumens ein - wichtige Voraussetzung für die Speicherung und den Transport auf Spezialtankern, deren begrenzte Verfügbarkeit ein weiterer Flaschenhals ist bei der kurzfristigen Beschaffung. Um den Jahreswechsel wurden bereits einige für Ostasien bestimmte LNG-Schiffe nach Europa umgeleitet. Biden hatte sich auch bei Südkorea und Japan dafür stark gemacht. Das Kernproblem ist, dass die von Katar geförderten Mengen bereits zum aller größten Teil vertraglich gebunden, also verkauft worden sind, nicht zuletzt an das immer energiehungrigere China.

In Europa hatte man sich bisher gegen langfristige Verabredungen gewehrt, die Wettbewerbsdirektion der Kommission bis zu diesem Monat sogar gegen QatarEnergy ermittelt ­­- im Verdacht, das Staatsunternehmen habe mit europäischen Abnehmern unerlaubte Absprachen bei der Weitergabe gelieferten Gases getroffen.

Vergangene Woche erklärte Katars Botschafter in Deutschland, sein Land könne bei der Diversifizierung der Energiequellen helfen. Er warb für direkte Gespräche zwischen Berlin und Doha. In der katarischen Hauptstadt hatten sich am vergangenen Montag und Dienstag erdgasproduzierende Länder zu einem Gipfel getroffen. Emir Tamim kündigte an, die Produktion bis 2027 von 77 Millionen auf 126 Millionen Tonnen zu steigern. "Die Krise kommt Katar wie allen Förderländern am Golf gelegen", sagt Andreas Krieg vom Londoner King's College, "sie steigern ihre Marktmacht und damit auch ihre politische Bedeutung." Katars Energieminister Saad bin Scharida al-Kaabi musste europäische Hoffnungen auf eine Lösung aus einer Hand aber zunächst enttäuschen. Momentan könne sein Land lediglich zehn bis 15 Prozent der vertraglich gebundenen Liefermengen umleiten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungSanktionen
:Dieser Krieg wird die ganze Weltwirtschaft treffen

Der Krieg wird Russland ökonomisch schwächen, die Ukraine beuteln und von den Europäern immense Opfer verlangen - wollen sie diese Auseinandersetzung doch vor allem mit den Mitteln des Geldes führen. Aber für Frieden ist dieser Preis nicht zu hoch.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: