Ukraine:Nicht ohne meine Amerikaner

Lesezeit: 3 Min.

Eine typische Macron-Aktion? Kritiker halten das Treffen in Paris am Montag für nicht viel mehr als eine pompöse Show ohne greifbares Ergebnis. (Foto: Abdul Saboor/REUTERS)

Die Europäer reden zwar über eine Schutztruppe in der Ukraine. Aber die Bereitschaft, Truppen zu stellen, ist bei den meisten Regierungen gering – vor allem, weil die USA nicht mitmachen wollen. Ohne deren Rückendeckung aber geht es nicht.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Die Idee, ein mögliches Friedensabkommen in der Ukraine durch eine nennenswerte Anzahl von Truppen aus EU-Ländern abzusichern, scheint vorerst vom Tisch zu sein. Bei einem eilig einberufenen Treffen europäischer Staats- und Regierungschefs am Montag in Paris, bei dem auch der britische Premier Keir Starmer, Nato-Generalsekretär Mark Rutte und Spitzenvertreter der EU anwesend waren, wurden deutliche Meinungsunterschiede sichtbar. Außer dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Starmer äußerte keiner der anwesenden Regierungschefs die Bereitschaft, im Rahmen einer Schutztruppe Soldaten in die Ukraine zu schicken.

Schweden und Dänemark schlossen eine etwaige Teilnahme an einer solchen Mission zwar nicht aus. Aber Polen lehnte die Pläne rundweg ab. Das Land könne schlicht keine Soldaten entbehren, sagte Premiermnister Donald Tusk. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz bügelte jedwede Gedankenspiele als zu früh, irritierend und unangemessen ab. Das dürfte nicht nur dem grundsätzlichen Unwillen des Kanzlers geschuldet sein, deutsche Soldaten in eine hochriskante Mission zu schicken, bei der es womöglich zu militärischen Konfrontationen mit der russischen Armee kommen könnte. Scholz kann auch aus innenpolitischen Gründen im Moment – wenige Tage vor der Bundeswahl – nichts weniger gebrauchen als eine Debatte über die Teilnahme der Bundeswehr an einem Einsatz in der Ukraine.

Vor allem aber wurde bei dem Treffen deutlich, dass die Europäer nicht ohne die Rückendeckung der USA handeln wollen. Europa sei bereit, zur Sicherheit der Ukraine nach einem Friedensschluss einen Beitrag zu leisten, sagte ein EU-Diplomat nach dem Treffen. Wie dieser aussehe, bliebe aber jedem Land selbst überlassen und sei „abhängig vom Umfang der amerikanischen Unterstützung.“

Washington will keine Truppe in die Ukraine schicken

Das heißt zum einen: Ohne die Hilfe der US-Armee in bestimmten Bereichen, etwa beim Transport oder der Aufklärung, ist ein rein europäischer Einsatz schon militärisch-technisch kaum denkbar. Zum anderen aber wollen die Europäer unbedingt die USA an ihrer Seite haben, da nach allen praktischen Kriterien nur dadurch das Abschreckungspotenzial gegenüber Russland gewährleistet ist. Das ist verständlich: Die russische Regierung lehnt zum jetzigen Zeitpunkt eine europäische Truppe in der Ukraine kategorisch ab und würde diese, sofern sie ihre Meinung nicht ändert, wohl als Feind sehen.

Der in Paris diskutierte Plan sah dem Vernehmen nach vor, nach einem Friedensabkommen eine Schutztruppe in der Ukraine zu stationieren, allerdings nicht direkt an der ehemaligen Front, sondern etwas weiter im Hinterland. Dort soll sie dann weitere russische Angriffe verhindern.

Die US-Regierung hält von einer Beteiligung an so einem Kontingent offensichtlich nicht viel. Verteidigungsminister Pete Hegseth schloss vorige Woche rundweg aus, dass amerikanische Truppen in die Ukraine geschickt werden könnten. Ebenso verneinte er, dass die USA einen Nato-Schutzschirm über eine europäische Truppe spannen würden. Andere US-Regierungsvertreter, etwa der Ukraine-Sonderbeauftragte Keith Kellogg, der am Dienstag in Brüssel EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen traf, äußern sich zwar weniger kategorisch. Aber bisher gibt es keine klare, öffentliche Ansage aus Washington, dass man den Europäern den gewünschten Beistand zu geben bereit ist.

Einige Diplomaten in Brüssel sehen das Pariser Treffen daher als glatten Fehlschlag. Anstatt ein Zeichen der Ge- und Entschlossenheit an US-Präsident Donald Trump zu senden, damit dieser die Forderung der Europäer nach Mitsprache bei den amerikanisch-russischen Verhandlungen über die Ukraine ernst nimmt, hätten die Gespräche die Meinungsunterschiede in der EU hervorgehoben. Das Treffen sei eine typische Macron-Aktion gewesen – hektisch einberufen, kaum vorbereitet, viel pompöse Show, aber kein greifbares Ergebnis.

Andere Diplomaten urteilen nicht so streng. Trumps Ziel sei immer, die Europäer zu spalten, heißt es in Brüssel. Dass in dieser Situation die großen Südländer Spanien und Italien an dem Treffen teilgenommen und ihre Unterstützung für die Ukraine bekräftigt hätten, sei ein wichtiger Erfolg. Zudem habe die EU ja auch Forderungen an Washington – einen Platz am Verhandlungstisch. Ohne Gegenleistung den amerikanischen Ruf nach europäischen Truppen zu erfüllen, sei keine gute Taktik.

Lässt sich Trump von Putin über den Tisch ziehen?

Tatsächlich gab es in Paris auch Einigkeit. Die anwesenden Staats- und Regierungschefs wiederholten ihr an Washington gerichtetes Versprechen, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Zudem machten die Teilnehmer klar, dass bei den russisch-amerikanischen Gesprächen über die Ukraine, die am Dienstag in Riad stattfanden, bestimmte Prinzipien zu beachten seinen. So warnten die Europäer laut einem EU-Diplomaten davor, einen Waffenstillstand zu erzwingen, wenn nicht gleichzeitig ein umfassendes Friedensabkommen in Kraft tritt.

Die Sorge ist, dass sich Trump in diesem Punkt vom russischen Präsidenten Wladimir Putin über den Tisch ziehen lässt – dass er eine von Russland angebotene Kampfpause akzeptiert, die den Konflikt aber nur unterbricht und einfriert, nicht durch eine breitere Vereinbarung beilegt. Das gab es in den vergangenen Jahren, wenn man so will, bereits zweimal, mit den sogenannten Minsk-Abkommen. Beide konnten den Krieg nicht dauerhaft beenden. Nach Angaben von Nato-Generalsekretär Mark Rutte ist den Amerikanern dieses Risiko bewusst. Auch Washington wolle keine Lösung, die nicht sicherstelle, dass Russland die Ukraine nie wieder angreifen könne, so Rutte.

Trumps Sicherheitsberater Mike Waltz schien diese Einschätzung am Dienstag zu bestätigen. Jede ausgehandelte Friedenslösung müsse dauerhaft sein, nicht temporär, sagte er nach dem ersten Treffen amerikanischer und russischer Verhandler in Riad. Ob Trump sich im entscheidenden Moment an diese Selbstverpflichtung erinnert, ist jedoch offen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungVerteidigung
:Europa muss mehr Geld für Rüstung ausgeben – und intelligenter als bisher

Kommentar von Thomas Fromm

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: