Es ist bereits jetzt klar, dass der Krieg in der Ukraine viele Prämissen der modernen Kriegsführung infrage stellt. Etliche der teuren Hightech-Waffen, wie hochgerüstete Kampfpanzer und flugzeuggroße Drohnen, auf die vor allem westliche Armeen zuletzt gesetzt hatten, spielen in der Ukraine eine untergeordnete Rolle. Wichtiger sind einerseits ganz konventionelle militärische Mittel wie eine gut ausgebildete und ausgerüstete Infanterie – sowie andererseits der souveräne und innovative Umgang mit elektronischer Kriegsführung und einer Vielzahl kleiner, möglichst billiger Drohnen.
Letztere scheinen, wie nun nach und nach bekannt wird, der ukrainischen Armee ihren überraschenden Erfolg beim Angriff auf die russische Region Kursk ermöglicht zu haben. Im vergangenen Jahr hatten die ukrainischen Truppen noch große Probleme, die russischen Verteidigungslinien in der ukrainischen Region Saporischschja zu durchbrechen. Wie kann es also sein, dass es ihnen nun gelang, viele Kilometer weit auf russisches Territorium vorzudringen?
Die Führung in Kiew schweigt natürlich über ihre Strategie
Bereits zu Beginn der Offensive Anfang August kursierten Gerüchte, die ukrainischen Truppen würden unterstützt von ganzen Drohnenschwärmen vorrücken. Die ukrainische Führung hat sich bislang natürlich nicht zu ihrer Strategie geäußert und wird das in absehbarer Zeit wahrscheinlich auch nicht tun. Es gibt inzwischen aber einen ganzen Zweig der ukrainischen Streitkräfte, der sich ausschließlich mit dem Einsatz von Drohnen befasst, und bereits 2022 kündigte die Ukraine an, eine „Armee aus Drohnen“ aufbauen zu wollen. Dieser bis vor Kurzem noch ungewöhnliche Ansatz scheint nun erste Erfolge gebracht zu haben.
So berichteten zuletzt mehrere Medien, darunter der kanadische Sender CBC und die britische Times, wie die ukrainischen Streitkräfte bei ihrem Vorrücken zunächst mit speziellen Drohnen die russischen Systeme zur elektronischen Kriegsführung wie Störsignalsender blockieren, um anschließend mit Sprengstoff beladene Drohnen gegen die russischen Artilleriestellungen und die Luftverteidigung einzusetzen. Danach rücken dann Infanterie und gepanzerte Verbände vor, wenn mit Überwachungsdrohnen eine Schwachstelle in den russischen Linien ausgemacht wurde.
Bestätigt ist diese Taktik nicht, aber es gibt viele Videos von Drohneneinsätzen in Kursk und von Angriffen auf russische Stellungen, die sie plausibel machen. So soll die ukrainische Armee in Kursk auch wieder die amerikanischen Himars-Raketenwerfer eingesetzt haben, um russische Konvois anzugreifen und Brücken zu zerstören. Das Waffensystem war in der Ukraine zuletzt weitgehend nutzlos geworden, weil wegen russischer Störsender die GPS-gesteuerten Raketen ihre Ziele nicht fanden.
Diese Beschreibungen decken sich in großen Teilen mit einer kurz vor dem Angriff auf Kursk veröffentlichten Analyse des Institute for the Study of War, in der besonders die dynamische, an die jeweilige Situation angepasste Kombination aus verschiedenen Drohnen und konventionellen militärischen Waffengattungen wie Artillerie als entscheidend für den Krieg in der Ukraine identifiziert wird.
Dort heißt es auch, die USA und ihre Verbündeten sollten diese neuen Probleme moderner Kriegsführung „verstehen und verinnerlichen“. Denn das Wesen aller zukünftigen Konflikte werde von diesen Entwicklungen im Krieg in der Ukraine beeinflusst werden.