Ukraine-Krieg:Russland verschärft Angriffe im Donbass

Ukraine-Krieg: Ein zerstörtes Hotel in der nordukrainischen Stadt Tschernihiw.

Ein zerstörtes Hotel in der nordukrainischen Stadt Tschernihiw.

(Foto: Alexey Furman/Getty Images)

Viele Städte in der Ostukraine geraten unter Beschuss. Moskau bietet Anwohnern Pässe an. Unterdessen führt Deutschlands zurückhaltende Position bei Panzerlieferungen an die Ukraine zu Spannungen im Ampelbündnis.

Von Frank Nienhuysen, Nakissa Salavati, Mike Szymanski und Christian Wernicke

Die Ukraine versucht, sich im Krieg mit Russland gegen zunehmenden Druck der russischen Streitkräfte zu stemmen. Nach ukrainischen Angaben hat Russland im Donbass zuletzt mehr als 40 Städte angegriffen. Schwierig ist die Lage rund um die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk, deren wichtige Zufahrtsstraße durch Beschuss gefährdet ist - und damit auch ein Fluchtweg für die Zivilbevölkerung. Der ukrainischen Präsident Wolodimir Selenskij wies in einer Videobotschaft darauf hin, dass die russischen Truppen bei der Zahl der Soldaten und der Ausrüstung den eigenen zum Teil überlegen seien. Sein Berater Olexij Arestowytsch sprach von "einigen taktischen Erfolgen" der Russen, die zu einem größeren zu werden drohten.

Russland erhöht zudem den Druck, in dem es im bereits von ihm kontrollierten Cherson sowie im Gebiet Saporischschja den Bewohnern russische Pässe anbietet. Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Mittwoch ein entsprechendes Dekret für eine erleichterte Einbürgerung. Zugleich deutet allerdings auch Moskau an, dass der Krieg gegen die Ukraine für Russland deutlich schwieriger verläuft als erwartet. Das russische Parlament hat das Höchstalter von 40 Jahren für die Wehrfähigkeit abgeschafft und damit faktisch erhöht. Angesichts der in der Ukraine blockierten Getreideexporte forderte Putin den Westen zur Aufhebung seiner Sanktionen auf: Russland sei bereit, einen Beitrag zu leisten für die Überwindung der Lebensmittelkrise - "unter der Bedingung eines Endes der politisch motivierten Beschränkungen seitens des Westens".

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte beim Weltwirtschaftsforum in Davos, man werde den "imperialistischen Angriffskrieg nicht hinnehmen. Das ist der Versuch, uns zurückzubomben in eine Zeit, als Krieg ein gängiges Mittel der Politik war". Russlands Präsident Putin habe schon jetzt alle strategischen Ziele verfehlt: "Eine Einnahme der gesamten Ukraine durch Russland scheint heute weiter entfernt als noch zu Beginn des Krieges."

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hatte zuvor in Davos an die Bundesregierung appelliert, seinem Land unverzüglich weitere Waffen zu liefern. "Wir brauchen schnelle Entscheidungen", sagte er. "Wir verteidigen nicht nur die Ukraine, sondern wir verteidigen Europa, die Welt, jeden von Ihnen." Doch Scholz gab keine neuen Zusagen. Dafür betonte er die zusätzlichen Ausgaben für das deutsche Militär, die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine und die bislang verhängten Sanktionen - auf Deutschland sei Verlass. "Wir machen Deutschland und Europa unabhängig von Energieimporten aus Russland." Zur Disposition stehe nicht nur die Staatlichkeit der Ukraine, sondern auch das System staatlicher Zusammenarbeit. Internationale Kooperation und Austausch seien die Antwort auf Krieg, Pandemie und Klimawandel - dabei müssten auch Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika einbezogen werden. Er glaube nicht an eine neue Bipolarität zwischen China und den USA und halte es auch für falsch, China zu isolieren.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock forderte in einer Grundsatzrede in Aachen, die "deutsche und die europäische Politik gegenüber unserer östlichen Nachbarschaft neu aufzustellen - in einem neuen Sicherheitsumfeld". Europa habe sich dies "nicht ausgesucht, aber wir sind es unseren östlichen Nachbarn schuldig", sagte Baerbock bei der Verleihung des Internationalen Karlspreises an drei belarussische Bürgerrechtlerinnen.

Europa, so Baerbock, stehe vor der Herausforderung, seine Beziehungen zur Ukraine, zu Moldau, Georgien und dem Westbalkan neu zu gestalten, auch zu Belarus und Russland: "Das ist die entscheidende Frage unserer Zeit, wir dürfen uns nicht wegducken." Klar sei schon jetzt: "In unserem Verhältnis zu Putins Russland kann es auf absehbare Zeit nicht um Sicherheit mit Russland, sondern nur um Sicherheit vor Russland gehen." Zwar könnten die genannten Länder erst später EU-Mitglieder werden, aber: "Sie sind schon jetzt Teil der europäischen Familie."

Deutschlands zurückhaltende Position bei Panzerlieferungen an die Ukraine führt derweil zu Spannungen im Ampelbündnis. Nachdem das SPD-geführte Verteidigungsministerium zuletzt Absprachen innerhalb der Nato als Grund dafür angeführt hat, dass Deutschland weder Schützenpanzer noch Kampfpanzer aus deutscher Produktion zur Unterstützung der Ukraine liefert, zeigt sich der Koalitionspartner FDP irritiert. "Wir brauchen dringend Aufklärung. Sollte es eine Abstimmung unter Nato-Partnern geben, keine westlichen Schützen- und Kampfpanzer zu liefern, möchte ich wissen, wer genau die getroffen hat und warum, und in welcher Form diese Abmachung festgehalten wurde", sagte Alexander Müller, verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion der Süddeutschen Zeitung. "Mir wäre ein solches Agreement neu." Auch die Oppositionspartei CDU fordert Aufklärung über mögliche Absprachen innerhalb der Nato.

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