Süddeutsche Zeitung

Ukraine:Die Saakaschwili-Saga

Lesezeit: 3 min

Einst regierte er Georgien wie ein Sonnenkönig, dann wollte er in der ukrainischen Politik mitmischen. Nun hat Kiew genug von Michail Saakaschwili und schiebt ihn nach Polen ab.

Von Florian Hassel, Warschau

Auch auf kleiner Warschauer Bühne trat Georgiens Ex-Präsident Michail Saakaschwili auf wie gewohnt: angriffslustig und als erfolgreicher Volkstribun. Kurz davor, einen Präsidenten zu stürzen, der seine Macht missbraucht - jedenfalls wenn es nach Saakaschwili selbst geht. "Wenn wir eine Million Menschen in Kiew auf der Straße haben, was bald passieren wird, werden sie die Macht friedlich abgeben. "Poroschenkos Ende ist nahe", sagte Saakaschwili zuversichtlich.

Zuvor gibt es allerdings noch ein paar Probleme: Saakaschwili ist staatenlos. Einen Tag vor seinem Auftritt in Warschau am Dienstagmittag wurde er von der Ukraine nach Polen gebracht. In Georgien hat ein Gericht den von 2004 bis 2013 amtierenden Präsidenten Anfang Januar wegen Machtmissbrauchs in erster Instanz zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Und in der Ukraine liegt Saakaschwili bei Beliebtheitsumfragen ganz unten. Gleichwohl ging Saakaschwili Präsident Petro Poroschenko mit Behauptungen über dessen Korruption auf die Nerven. Poroschenko entledigte sich mit der Ausweisung eines unbequemen politischen Gegners.

Die Ausweisung ist die nächste Etappe in der Saga vom mehrmaligen Aufstieg und Fall des Michail Saakaschwili: 2004 wurde der vorherige Bürgermeister von Tiflis nach dem Sturz des alten, selbstherrlich regierenden Präsidenten Eduard Schewardnadse georgischer Präsident. Saakaschwili schaffte Georgiens korrupte Verkehrspolizei ab und zog Investitionen an, vor allem aus den ihn stützenden USA. Doch auch Saakaschwili zeigte bald das Autokratensyndrom: Minister erpressten Geschäftsleute, Justiz und Opposition gerieten unter - auch gewaltsamen - Druck.

Saakaschwili ließ einen neuen Präsidentenpalast bauen und regierte als kleiner Sonnenkönig. 2013 zog er nach dem Ende seiner Präsidentschaft schnell nach New York: In Georgien wollte der Staatsanwalt wissen, wie Saakaschwili "geheime" Ausgaben von knapp drei Millionen Euro für Kaschmirmäntel, Luxusuhren, Hubschrauber- und Segeljacht-Mieten, Massagekünstler, Haarbehandlungen und Botox-Spritzen rechtfertigte.

2015 tauchte Saakaschwili wieder auf: Der Präsident der Ukraine, Poroschenko, gab Saakaschwili einen Pass und ernannte ihn zum Gouverneur von Odessa. Saakaschwili präsentierte sich als Kämpfer gegen Korruption - bis hinein in die Staatsspitze um Poroschenko. Ende 2016 trat Saakaschwili als Gouverneur zurück, gründete eine Partei und verkündete, seine Aufgabe in der Ukraine sei "höher als der Posten des Ministerpräsidenten". Als Antwort entzog Poroschenko im Juli 2017 dem möglichen Konkurrenten die ukrainische Staatsbürgerschaft wieder - offenbar rechtswidrig. Die Ukrainer wollten Saakaschwili nicht wieder ins Land lassen - dieser durchbrach im Herbst 2017 die ukrainische Grenze unter dem Schutz Hunderter Anhänger, kehrte nach Kiew zurück und spielte seitdem Katz und Maus mit den Behörden.

Anfang Dezember 2017 verhaftete ein Geheimdienstkommando Saakaschwili. Als die Beamten ihn in einem Minibus zum Verhör bringen wollten, brachen Saakaschwilis Anhänger die Tür auf und befreiten ihr Idol. Auch ein Versuch, Saakaschwili am 9. Februar in einem Kiewer Luxushotel zu verhaften, scheiterte. Der dritte Versuch am Montagnachmittag gelang.

Saakaschwili will die entzogene ukrainische Staatsbürgerschaft zurückerstreiten

Um kurz vor vier Uhr kam ein 13 Mann starkes Spezialkommando ins georgische Restaurant Suluguni in Kiew, verhaftete Saakaschwili unsanft, brachte ihn nach dessen Aussage "gefesselt und geknebelt" per Hubschrauber zum Flughafen Boryspol, verlas einen offenbar im Widerspruch zu noch laufenden Gerichtsverfahren erlassenen Deportationsbeschluss und setzte ihn in ein Flugzeug nach Warschau. Dort hatte die nationalpopulistische Regierung eingewilligt, den staatenlosen Saakaschwili aufzunehmen. Vom Warschauer Flughafen wurde Saakaschwili von einer Parlamentarierin der Regierungspartei abgeholt.

Warschau, gerade bemüht, das ohnehin angespannte Verhältnis zu Kiew zu entspannen, will indes Saakaschwili offenbar keine allzu große Bühne bieten: Seine Pressekonferenz gab Saakaschwili im Mini-Saal einer lokalen Bürgergruppe. Saakaschwili kann in Polen bleiben oder nach Holland reisen: Seine dort lebende Ehefrau Sandra Roelofs ist Holländerin. Außenministerin Halbe Zijlstra sagte im Dezember, Holland sei bereit, Saakaschwili sowohl ein Visum, als auch einen Pass auszustellen. "Er ist mit einer Holländerin verheiratet, und wenn er einen Pass beantragt, ist dies dem Gesetz nach möglich." Bisher hat Saakaschwili dies nicht getan, sagte er der SZ; ob er es tun wird, ließ er offen. In Warschau sagte Saakaschwili, er werde vor ukrainischen Gerichten die ihm rechtswidrig entzogene Staatsbürgerschaft zurückerstreiten und "bald aus einer europäischen Hauptstadt nach Kiew zurückkehren". In seine Heimat Georgien zieht es den ehemaligen Präsidenten nicht: Dort erwartet ihn nach dem Schuldspruch wegen Amtsmissbrauchs ein weiteres Verfahren nach einer Anklage wegen des Verdachts auf massive Korruption.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3866304
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.02.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.