Ukraine:Der Winter macht Druck

Ukraine Donbass Donetsk Separatisten

Alltag in Donetsk: Passanten an einem zerstörten Markt in Bahnhofsnähe.

(Foto: AP)

Jetzt gibt es also im Osten der Ukraine selbsternannte Republikchefs, die sich durch fingierte Wahlen haben legitimieren lassen. Die wahren Probleme jedoch sind andere.

Kommentar von Cathrin Kahlweit

Auch die Separatistenführer in der Ostukraine kennen die Schlagwörter der Demokratie. Man habe nun "eine legitime Führung", hieß es nach der Wahl vom Sonntag. Und mit der müsse die Regierung in Kiew auf Augenhöhe verhandeln. Ganz klar: Alexander Sachartschenko in Donezk und Igor Plotnizki in Luhansk betrachten sich jetzt als "gewählte Republikchefs" und als Akteure der Weltpolitik. Schließlich, lassen sie wissen, gehöre der Donbass nicht mehr zur Ukraine. "Ob das jemandem nun gefällt oder nicht."

Die Marionetten des Kreml haben gut zugehört und gut imitiert: Endlich habe die Ukraine wieder einen "legitimen" Staatschef - so hatte es auch nach der Präsidentschaftswahl geheißen. Damals hatte die Welt erleichtert applaudiert. Und Wladimir Putin verhandelt seither tatsächlich mit Petro Poroschenko, dem Nachfolger des abgesetzten Staatschefs Viktor Janukowitsch. Ob ihm das nun gefällt oder nicht.

Der Vergleich hinkt stark, gewiss. Schließlich hat außer Russland kein Staat die von den prorussischen Separatisten ausgerufenen Volksrepubliken anerkannt. Außer Russland hält auch kein Staat die Wahlen für legitim, die in der Ostukraine unter Missachtung demokratischer Spielregeln, ohne Opposition und Wahlbeobachter abgehalten wurden. Nur: Die Herren Sachartschenko und Plotnizki werden, das ist absehbar, keine ewigen Parias bleiben.

Tatsächlich sitzen Vertreter Kiews ja schon jetzt gezwungenermaßen mit Separatisten an einem Tisch, in Minsk nämlich. Dort wird über ein Ende der Kämpfe verhandelt, auch wenn faktisch Moskau darüber entscheidet, ob in diesem internationalen Format Scheinfortschritte gemacht werden, die im Kriegsalltag ohnehin tagtäglich konterkariert werden. Und hinter der Front verhandelt die ukrainische Generalität gezwungenermaßen mit den Offizieren der prorussischen Kräfte über den Austausch von Gefangenen, über Pufferzonen, Korridore. Man ist also im Kontakt - über den Krieg.

Kiew und die Separatisten müssen reden, um die Not zu lindern

Nun aber, im aufziehenden Winter, könnte es die Lage der Bevölkerung sein, die beide Seiten an einen Tisch bringt, und diesmal wären es die Separatisten, die sich dazu gezwungen sähen. In den von ihnen besetzten Gebieten fehlt es, russischen Konvois zum Trotz, an allem. Viele Menschen leben wegen der massiven Zerstörungen mittlerweile in Bunkern oder Kellern, die Bergwerke produzieren keine Kohle, Kraftwerke keinen Strom mehr, Transportwege sind zerstört.

Berichte mehren sich, dass die Separatisten bei proukrainischen Unternehmern aus der Region anklopfen, die ihre Firmen zugesperrt haben. Sie wissen, sie müssen die Leute ohne Hungeraufstände über den Winter kriegen, sonst ist ihre spärliche Legitimation, das bessere Leben unter russischer Flagge, dahin. Die ukrainische Regierung wiederum müsste reden und helfen, wenn sie Not lindern, den Mythos von der territorialen Integrität aufrechterhalten - und den Einfluss Moskaus kontern wollte.

Ukraine: Eine ältere Frau sammelt Brennholz am Flughafen von Donetsk.

Eine ältere Frau sammelt Brennholz am Flughafen von Donetsk.

(Foto: AFP)

Derzeit fühlt es sich in Kiew allerdings so an, als sei der Osten mit seinen Separatisten ganz weit weg. Andere Fragen dominieren: Wie viele Partner soll die neue Koalition haben? Sollen nationalistische Kräfte um Julia Timoschenko und den Populisten Oleh Ljaschko auch eingebunden werden? Die erste Entlassungswelle nach dem Lustrationsgesetz überzieht gerade das Land. Werden sich die alten Janukowitsch-Kräfte, die jetzt gefeuert werden, das bieten lassen? Ein berühmtes Kino in Kiew ist während eines Lesben- und Schwulenfestivals abgefackelt worden. Kehrt die Intoleranz der Janukowitsch-Ära zurück?

Dabei muss eine der drängendsten Fragen im Machtpoker schnellstens beantworten werden: Sind Gespräche mit den illegitimen "Republikchefs" ein Kotau vor Moskau - oder nicht doch ein Gebot der Not?

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