Süddeutsche Zeitung

Berlins Ukraine-Politik:Nicht mal ein "Trostpflaster"

Kiew reagiert enttäuscht auf die angekündigte Lieferung von 5000 Militärhelmen aus Deutschland. Auch in einigen EU-Staaten wächst das Unverständnis.

Von Matthias Kolb, Brüssel, und Paul-Anton Krüger, Berlin

Deutschland will der Ukraine 5000 Militärhelme liefern. Das hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Mittwoch nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses angekündigt. Dies sei ein "ganz deutliches Signal: Wir stehen an eurer Seite", sagte sie. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, begrüßte zwar die Lieferung der Helme; er hatte jüngst öffentlich 100 000 Stück davon gefordert. Zugleich kritisierte er die Zusage aber als "reine Symbolgeste". "Das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, es ist sogar kein Trostpflaster", sagte er. Kiew fordert weiter die Lieferung defensiver Waffen aus Deutschland.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte die ablehnende Haltung der Bundesregierung ebenso. "Das ist ein verheerendes Signal nicht nur an die Ukraine, sondern auch an unsere Bündnispartner", sagte er dem Spiegel. Die Ukraine könne Fernmeldeaufklärung und Störsender gegen russische Kommunikation gut gebrauchen. Zudem benötige Kiew dringend Panzerabwehrtechnologie, Flugabwehrraketen sowie Scharfschützengewehre und Nachtsichtgeräte. Kiesewetter schlug vor, "solche Lieferungen an Bedingungen zu knüpfen und die Ukraine vertraglich zu verpflichten, die Waffen nach einer bestimmten Zeit wieder zurückzugeben".

Die Ausbildung der ukrainischen Ausbilder steht im Fokus

Unterdessen bestritt die Bundesregierung, sie bremse beim Beschluss einer Trainings- und Ausbildungsmission der EU für die Ukraine. "Deutschland setzt sich dafür ein, die EU-Unterstützung für die Reform des ukrainischen Militärausbildungssystems zügig auf den Weg zu bringen", erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Darüber seien sich im Grundsatz alle 27 EU-Mitglieder einig. Es werde aber noch über die Rechtsgrundlage diskutiert. In Brüssel hatten Diplomaten aus vier EU-Staaten geklagt, Deutschland blockiere mit Italien, Spanien und Griechenland eine schnelle Entscheidungsfindung.

Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) hat im Dezember vier Optionen für die Mission erarbeitet. Davon sehen die Beamten zwei als praktikabel an: eine Trainingsmission im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), wie es sie derzeit in Mali oder Mosambik gibt, oder eine flexiblere Lösung unter Verwendung der neuen Friedensfazilität. Dem Sprecher zufolge befürwortet Deutschland "wie viele andere" die zweite Variante.

Aus dem EAD-Papier geht hervor, dass es anders als in Mosambik nicht darum gehe, Soldaten für den Antiterrorkampf auszubilden. Stattdessen steht die Ausbildung der ukrainischen Ausbilder im Fokus ("train the trainers"). Insgesamt ist von etwa 45 Beratern die Rede, die in Kiew beim Verteidigungsministerium und beim Generalstab sowie in Akademien im Land eingesetzt würden.

Einige EU-Länder wundern sich über die Haltung der Bundesregierung

Laut den EAD-Experten spricht für die GSVP-Variante eine "höhere Sichtbarkeit" der EU, allerdings wäre sie eher "übertrieben" für die Erreichung der angestrebten Ziele. Gerade die EU-Länder aus Ost- und Mitteleuropa werben seit Längerem für eine GSVP-Mission in der Ukraine - neben der symbolisch wichtigen Unterstützung für Kiew geht es auch um ein Gegengewicht zu den vor allem von Frankreich vorangetriebenen EU-Einsätzen in Afrika.

Dass die Klagen über Deutschland aber auch aus anderen EU-Ländern kamen, deutet auf ein wachsendes Unverständnis, mit dem die Haltung der Bundesregierung in der Ukraine-Krise gesehen wird. In Brüssel hofft man nun, dass bis zum Außenministertreffen Ende Februar eine Einigung gefunden wird.

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