Ukraine:Blindes Vertrauen

Präsident Selenkskij lässt das Parlament nur abnicken.

Von Florian Hassel

Das ukrainische Parlament startet spektakulär: der jüngste Regierungschef der Geschichte, angesehene Reformer auf Schlüsselpositionen etwa bei Geheimdienst und Generalstaatsanwaltschaft. Dutzende Gesetze sind eingebracht, Hunderte sollen folgen. Doch dass die neue Regierung auch eigenständig handeln kann, darf man bezweifeln.

Der neue Regierungschef Alexej Gontscharuk hat einen exzellenten Ruf, aber weder politische Erfahrung noch eigenständiges politisches Gewicht - im Gegensatz zu anderen Kandidaten wie Ex-Finanzminister Alexander Daniljuk oder Ex-Wirtschaftsminister Aivaras Abromavičius. Präsident Selenkskij und sein Stabschef Andrij Bohdan haben sich bewusst gegen einen Regierungschef entschieden, der zur Konkurrenz werden könnte. Auch die Parlamentsfraktion wird an kurzer Leine gehalten. Noch am Tag vor der ersten Parlamentssitzung war ihr nicht einmal der Name des kommenden Regierungschefs bekannt, den sie wählen sollte.

Ähnlich ist es offenbar mit Dutzenden Gesetzesentwürfen, zu denen Selenskij und seine Vertrauten blinde Zustimmung erwarten, ohne dass die neuen Parlamentarier Zeit hätten, die Texte zu lesen, geschweige denn zu überdenken. Ob der Blitzstart in der Ukraine auch der Start zu gutem Regieren ist, muss sich erst herausstellen.

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