Ukip:Britische Rechtspopulisten auf Sinnsuche

Ukip: Dank an den früheren Vorsitzenden: Als Ukip-Chef räumte Nigel Farage nach dem Brexit seinen Posten.

Dank an den früheren Vorsitzenden: Als Ukip-Chef räumte Nigel Farage nach dem Brexit seinen Posten.

(Foto: Daniel Leal-Olivas/afp)

Der Brexit ist beschlossen, Frontmann Nigel Farage zurückgetreten. Trotz neuer Parteichefin- die Luft ist dünn geworden für die Ukip.

Von Christian Zaschke, London

Bei seinem letzten Auftritt als Chef der UK Independence Party (Ukip) trug Nigel Farage einen etwas zu großen Anzug, so dass er ein wenig an den Sänger David Byrne gemahnte, der als Frontmann der Band Talking Heads im exzellenten Konzertfilm "Stop Making Sense" einst in einem "Big Suit" aufgetreten war, einem absurd überdimensionierten Zweiteiler.

Zehn Jahre lang hat Farage an der Spitze der Ukip gestanden, am Freitag verabschiedete er sich auf dem Parteitag in Bournemouth von den Delegierten. Zwar wird es von diesem Auftritt aller Voraussicht nach keinen Konzertfilm geben, Farage bewies aber erneut mühelos, dass er der ideale Frontmann für die populistische Ukip ist. Als er anmerkte, man habe den Krieg gewonnen und müsse nun auch den Frieden gewinnen, jubelte der Saal.

Mit dem gewonnenen Krieg meinte Farage das EU-Referendum vom Juni, in dem sich eine Mehrheit der Briten für den Austritt aus der Union ausgesprochen hat. Er erinnerte die Delegierten daran, dass es dieses Referendum ohne die EU-feindliche Ukip nie gegeben hätte, und was er damit eigentlich sagte, war allen Zuhörern klar: dass es das Referendum ohne ihn nie gegeben hätte.

Farage war 1993 eines der Gründungsmitglieder der Ukip, die lange eine politische Randgruppe war und von niemandem sonderlich ernst genommen wurde. 1999 zog er ins Europarlament ein, wo er allen mit seinen Anti-EU-Reden sehr auf die Nerven fiel, was ihn nur bestärkte in seinem Eifer.

Auf seinem Pult im EU-Parlament pflanzt er grundsätzlich einen kleinen Union Jack auf, was manche Abgeordnete zur Weißglut treibt. Viele seiner Einlassungen sind legendär, zum Beispiel bescheinigte er dem damaligen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy das "Charisma eines nassen Lappens".

Farage sieht sein Lebenswerk vollendet - und die Ukip?

Farage hat sich mit Wonne danebenbenommen. Nach dem Votum für den Brexit rief er den Kollegen in Brüssel zu: "Jetzt lacht ihr nicht mehr." Dafür lachte er, sein breites Grinsen ist ebenso sein Markenzeichen wie die Zigarette zum Nachmittagsbierchen. Dass er nun zurücktrat, begründete er damit, dass sein Lebenswerk vollendet sei. Die Briten hätten ihr Land zurück, nun wolle er sein Leben zurück.

Für die Delegierten in Bournemouth wirft der Rücktritt Farages eine unangenehme Frage auf: Wenn dieser sein Lebenswerk vollendet hat, gilt das dann nicht auch für die Partei? Hauptanliegen der Ukip war es stets, das Vereinigte Königreich aus der EU zu führen. Dass dies gelungen ist, führt zwar zu einem großen Gefühl des Triumphs innerhalb der Partei, aber auch zu der Frage, wie es jetzt weitergehen könnte.

Rechts von den Tories ist kaum noch Raum

Die meisten Mitglieder waren selbst überrascht davon, dass sie im Juni plötzlich am Ziel waren. Erst einmal haben sie eine neue Vorsitzende gewählt. Die 56 Jahre alte Diane James wird die Partei künftig führen. In ihrer Antrittsrede am Freitag versprach sie, alle Fragen stets ehrlich zu beantworten, soweit das eben möglich sei.

Sie steht vor zwei schwierigen Aufgaben. Zum einen dürfte es nicht ganz einfach werden, in die Fußstapfen Farages zu treten, der die Ukip als Ein-Mann-Partei geführt hatte. Zum anderen muss sie nun politische Ziele formulieren. Das hat sie im Wahlkampf um den Parteivorsitz bewusst nicht getan mit den Argument, es sei keine gute Idee, jetzt auf die Schnelle ein paar politische Thesen aus dem Hut zu zaubern.

Dass sie trotzdem gewählt wurde, lag daran, dass die anderen Kandidaten noch unbekannter waren als sie. Wobei der Bewerber Phillip Broughton immerhin auf eine kurze Karriere als Wrestler verweisen konnte, während der er sich als "The One and Only Phillip Alexander" einen Namen machte. Der eigentliche Favorit Stephen Woolfe hatte es geschafft, seine Bewerbung 17 Minuten zu spät einzureichen und war daraufhin von der Wahl ausgeschlossen worden.

Was Farage nun plant

Normalerweise ist es für eine rechtspopulistische Partei nicht sonderlich schwierig, sich vom Mainstream abzugrenzen. Seit jedoch Theresa May an der Spitze der Konservativen steht, ist die Luft dünn geworden für die Ukip. May lässt keinen Zweifel daran, dass es tatsächlich zum Brexit kommen wird, und was Einwanderungskontrolle angeht, ist sie noch schärfer als die meisten Ukip-Mitglieder.

Sie befürwortet Fracking, und dass sie jetzt die Wiedereinführung von Grammar Schools in Aussicht gestellt hat, die sich ihre Schüler mittels Leistungstests aussuchen dürfen, könnte direkt aus dem Wahlprogramm der Ukip übernommen sein. Das Problem der neuen Vorsitzenden Diane James ist: Rechts von den Tories ist kaum noch Platz.

Wie Farage sagte sie, die Aufgabe der Partei bestehe nun darin zu überwachen, dass es beim Brexit keine faulen Kompromisse gebe. Allerdings haben die Europaskeptiker unter den Konservativen keinen Zweifel daran gelassen, dass sie diese Aufgabe höchstselbst übernehmen werden. Diesbezüglich hat Theresa May kaum Raum zum Manövrieren.

Sollte bei manchen Politikern in Brüssel die Hoffnung bestanden haben, künftig weniger von Nigel Farage zu sehen, so war diese vergebens: Er behält seinen Sitz im Europaparlament. Zudem hat er angekündigt, über den Kontinent zu reisen, um sein Wissen zu teilen: Er will Parteien in anderen Ländern dabei beraten, wie man aus der EU austritt.

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