Uiguren:Deutschland darf Chinas Verbrechen nicht hinnehmen

Merkel in China

Bundeskanzlerin Angela Merkel (hier bei einem Besuch in Peking 2018) sollte gegenüber der chinesischen Führung klarmachen, dass die Internierungslager nicht akzeptabel sind.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die chinesische Führung hält etwa eine Million Uiguren in Internierungslagern gefangen. Gerade die Bundesregierung müsste dagegen aufstehen. Stattdessen wirtschaften deutsche Firmen mitten im Elend.

Kommentar von Lea Deuber, Peking

China hält rund eine Million Menschen ohne Anklage in Internierungslagern fest. Die Kommunistische Partei hat das bis zuletzt abgestritten. Dokumente belegen nun eindeutig ihre Existenz. Die systematische Verfolgung von Millionen Muslimen und die Zerstörung ihrer Kultur ist ein Verbrechen. Die geleakten Dokumente zeigen, dass es nicht so weitergehen kann. Andere Staaten müssen handeln.

Für die Bundesrepublik ist die Verantwortung besonders schwerwiegend. China verfolgt die Uiguren und andere muslimische Minderheiten aufgrund ihres religiös-ethnischen Hintergrunds. Deutschland steht mit seiner eigenen Geschichte von Unterdrückung und Verfolgung in einer historischen Verantwortung, sich auch für die Menschen im Nordwesten Chinas einzusetzen.

Bisher tut Deutschland das nicht ausreichend. Heimische Firmen wie Volkswagen und BASF sind weiter in der Region aktiv. Ungeachtet des Elends erwirtschaftet ein deutscher Autokonzern mit Staatsbeteiligung satte Renditen im Land. Das darf nicht toleriert werden.

Sofort braucht es gezielte Sanktionen gegen Akteure, die dort Menschenrechte verletzen. Jedes Unternehmen, das an Internierung oder der Überwachung beteiligt ist, muss sanktioniert werden. Das gilt auch für deutsche Firmen, die sich dafür entscheiden, die Augen vor der humanitären Katastrophe in Xinjiang zu verschließen.

Die Lager sind Symptom eines Regimes, das jeden vernichtet, der seinen alleinigen Machtanspruch infrage stellt. 1989 hat es die Studentenproteste in Peking niedergeschlagen. 30 Jahre später unterdrückt es die pro-demokratische Bewegung in Hongkong. In Tibet hat es längst die Kultur und Lebensweise der Menschen zerstört und die Region abgeschottet. Xinjiang ist innerhalb weniger Jahre zu einem Freiluftgefängnis ausgebaut worden. Die digitale Rundumüberwachung ist in ihrem Orwell'sche Ausmaß ein in der Menschheitsgeschichte bisher einmaliges Verbrechen.

Längst beschränkt das Regime seinen Terror nicht mehr nur auf die eigene Bevölkerung. Immer stärker geraten auch liberale Demokratien unter Druck. Dazu gehört auch Deutschland. Chinas Regierung verfolgt hierzulande Aktivisten und Dissidenten, bedroht Medien, Universitäten und gängelt Abgeordnete, die Menschenrechtsverstöße in China thematisieren. Sie werden bedroht und an der Einreise in das Land gehindert.

Weltweit verschiebt China im Interesse seiner politischen Agenda die Machtverhältnisse. Wie erfolgreich es dabei ist, zeigt die Debatte um Xinjiang. Deutschland und 22 weitere Nationen haben dem Regime zuletzt "willkürliche Inhaftierungen" vorgeworfen. Peking bekam daraufhin prompt Rückendeckung von 37 Staaten. Darunter sind Länder wie Russland, Syrien und Myanmar. Diese Gruppe eint nichts außer ihrer Verachtung von Freiheit und Bürgerrechten. Es ist eine Allianz von Autokraten, an deren Spitze China steht.

Der Klub der Despoten dominiert immer häufiger Debatten in den Vereinten Nationen. Unter Führung Chinas höhlen sie internationale Organisationen aus und bauen sie nach ihren Interessen um. Dafür nutzt Peking die offenen Tore des liberalen Systems, nimmt sich dort, was es will. Überall, wo Pekings Einfluss wächst, stirbt Stück für Stück die Freiheit.

Die Loyalität erkauft sich China mit Wirtschaftsdeals und Investitionen. Wer nicht mitmacht, wird gegängelt. Peking ist noch lange nicht der mächtigste Akteur in vielen Regionen der Welt. Meist profitieren Chinas Alliierte immer noch stärker von der internationalen Sicherheitspolitik, die westliche Bündnisse unter US-Führung aufrechterhalten. Die Regime sind Nutznießer des liberalen Systems, das sie selbst unterwandern. Aber anstatt sich zu wehren, schaut man im Westen hilflos zu, wie Peking wütet.

Die deutschen Beziehungen zu Peking müssen grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden. Bei Debatten wie um das chinesische Unternehmen Huawei wird deutlich, dass das immer noch nicht alle verstanden haben. Ein Konzern, der unter Einfluss der Regierung steht, der Regierung, die in Xinjiang einen digitalen Überwachungsstaat errichten ließ, soll kritische Digitalinfrastruktur in Deutschland bauen. Das dürfte gar nicht denkbar sein.

China ist Deutschlands größter Handelspartner. Das Land nutzt die Abhängigkeit aber, um Druck auf Berlin auszuüben. Will Deutschland unabhängig bleiben, muss es sich davon befreien. Es braucht klare Regeln im Umgang mit dem Regime und eine gemeinsame europäische China-Politik.

Viel steht auf dem Spiel für die westliche Wertegemeinschaft. Freiheit und Demokratie stehen im Widerspruch zu Pekings absolutem Herrschaftsanspruch. Es kann langfristig keine friedliche Koexistenz beider Systeme geben. China hat das längst verstanden. Die Lage in Xinjiang muss deutlich machen, dass es im Umgang mit China keine Rückkehr zur normalen Tagesordnung mehr geben kann.

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