China Cables:Berlin scheut Kritik an China-Geschäften

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Eine Angehörige der uigurischen Minderheit versucht während einer Demonstration in Urumqi 2009, einen Polizisten zu packen. (Symbolbild) (Foto: Oliver Weiken/dpa)
  • Die China Cables legen offen, wie Uiguren in China systematisch verfolgt und interniert werden.
  • Wegen der Berichte über diese Menschenrechtsverletzungen äußert sich die Bundesregierung "in größter Weise besorgt".
  • Investitionen deutscher Firmen in der Region Xinjiang hinterfragt Berlin nicht. Das sei "zunächst einmal eine unternehmerische Entscheidung", sagt Regierungssprecher Seibert.

Von Daniel Brössler, Berlin, Lea Deuber und Christoph Giesen, Peking, Berlin

Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, nach Berichten über die systematische und massenhafte Verfolgung von Uiguren deutsche Investitionen in der chinesischen Region Xinjiang zu hinterfragen. "Ich habe heute hier von dieser Stelle den deutschen Unternehmen keinen Ratschlag zu geben", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. "In einer Situation, in der es keine Sanktionen gibt oder keine sonstigen rechtlichen Regelungen, die das verbieten würden, ist das zunächst einmal eine unternehmerische Entscheidung", betonte er.

Das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ) hatte unter Beteiligung der Süddeutschen Zeitung Belege für ein Lagersystem veröffentlicht, in dem etwa eine Million Uiguren in Xinjiang gegen ihren Willen festgehalten werden, ihrer Religion abschwören und sich der Kommunistischen Partei unterwerfen sollen.

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In der Region betreibt Volkswagen ein Werk, in dem Mittelklassewagen gebaut werden. Die Investition steht im Verdacht, politisch motiviert zu sein und das Wohlwollen Pekings sichern zu sollen. Das Werk sei "ein einziger Schandfleck", kritisierte der Xinjiang-Experte und frühere Direktor des Zentrums für Chinastudien im südafrikanischen Stellenbosch, Ross Anthony.

"Wenn tatsächlich hunderttausende Uiguren in Lagern festgehalten werden, dann kann die internationale Gemeinschaft davor nicht die Augen verschließen", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) der SZ. Nötig sei nun Transparenz und "vor allem unabhängiger Zugang zu der Region" etwa für die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. "Menschenrechte sind nicht verhandelbar und universell gültig", betonte Maas. Mit der chinesischen Seite spreche man "immer wieder darüber, wie ihr Schutz verbessert werden kann". Bereits bei seinem jüngsten Besuch in Peking habe er die Situation in Xinjiang "in aller Deutlichkeit angesprochen und eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Region gefordert". Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Nils Schmid, forderte: "Die willkürliche Internierung muss sofort beendet und die Lager müssen geschlossen werden." Die Berichte seien "erschütternd", sagte der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour. "Wirtschaftliche Interessen dürfen nicht den moralischen Kompass überdecken", forderte Stefan Liebich von der Linksfraktion. Peking wies die Berichte als "gemeinen" und "ungeschickten" Versuch ausländischer Medien zurück, das Thema aufzubauschen. Es sollten damit die Erfolge im Kampf gegen den Terror in der Region zerstört werden. Chinas Regierung hatte bislang behauptet, die Lager seien "Berufsbildungszentren" und der Aufenthalt freiwillig. Auf die Berichte reagiert China auch mit Zensur. Im chinesischen Netz wurden fast alle Hinweise auf die Recherchen des ICIJ gelöscht.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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