Süddeutsche Zeitung

Überwachung:Gesicht bewahren

Physiognomische Überwachung ist bequem - und sie wird zum Problem.

Von Stefan Ulrich

Für die Polizei ist sie eine praktische Technik, aber auch die Teilnehmer der Olympischen Spiele 2020 in Tokio werden von ihr profitieren. Die Rede ist von der automatisierten Gesichtserkennung, die auf alle Athleten, Betreuer und Journalisten angewendet werden soll. So geht es an den Kontrollen schneller, und niemand kann sich mehr mit falschen Ausweisen einschleichen. Mehr Sicherheit bei mehr Komfort - wer wollte da Nein sagen?

Auch anderswo wird die Technik erprobt, in Hamburg, in Berlin. Ihre Verheißungen sind groß. Dank ihr könnten vermisste Kinder künftig leichter gefunden werden. Kriminelle lassen sich auch aus großen Menschenmengen heraus rasch identifizieren. Und wenn erst mal jeder Bürger erfasst ist, kommt keine 14-Jährige mehr in einen Kinofilm ab 16.

Gesichtserkennung per IT ist der Traum jeden Überwachungsstaats. China wird so dem Ziel näherkommen, alle Bürger ständig überall zu kontrollieren. Auch in Demokratien werden sich die Menschen an immer mehr Gesichtserkennung gewöhnen, wie sie sich an Videoüberwachung gewöhnt haben. Das Recht, über seine persönlichen Daten zu bestimmen und unbeobachtet zu leben, zerbröckelt, wenn der Bürger sein Gesicht an den Staat verliert. Daher dürfen freie Länder bei der Gesichtserkennung nicht dem Motto folgen: Dabei sein ist alles.

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Quelle:
SZ vom 08.08.2018
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