Überraschender Beschluss:Die SPD will die Vermögenssteuer zurück

Die SPD rückt in der Opposition nach links: Überraschend sprachen sich die Delegierten auf dem Parteitag für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer aus. Die Parteiführung knickte in letzter Minute ein.

Thorsten Denkler, Dresden

Die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel rennt nach der Abstimmung über den Parteitag, als sei sie soeben zwei Köpfe größer geworden. Ihr ist gelungen, was die Bundesspitze der SPD seit Jahren auf Parteitagen blockiert: Ein Beschluss, der die Wiedereinführung der Vermögenssteuer fordert.

SPD-Parteitag, AP

Breite Zustimmung: Der Leitantrag wurde am Abend nach mehrstündigen Debatten bei nur einer Gegenstimme und vier Enthaltungen von den SPD-Delegierten gebilligt.

(Foto: Foto: AP)

Damit rückt die SPD in der Opposition nach links. Der Parteitag in Dresden billigte am Samstag fast einstimmig einen Leitantrag mit zum Teil deutlichen Korrekturen an bisherigen SPD-Positionen.

Die mehr als 500 Delegierten sprachen sich für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer aus. Die Parteispitze hatte zunächst vor einer solchen Festlegung gewarnt. Um eine absehbare Abstimmungsniederlage zu vermeiden, schwenkte sie dann aber kurzfristig um und schloss sich der Forderung der Jungsozialisten an. Jetzt heißt es im verabschiedeten Antrag: "Unser Steuerkonzept wird Vermögende stärker in die Verantwortung für das Gemeinwohl nehmen, unter anderem durch die Einführung der Vermögenssteuer, und Normalverdiener sowie Familien steuerlich besserstellen."

"Ich würde euch bitten, dem Votum der Antragskommission nicht zuzustimmen", hatte Drohsel in ihrer Rede zuvor gesagt. Der Jubel der danach aufbrandete, zeigt: An diesem späten Nachmittag in der Dresdner Messehalle hatte die Basis nicht vor, der Parteispitze in diesem Punkt noch zu folgen. Ihre Begründung schlug ein: "Ich kann es langsam nicht mehr hören, das wir das, was wir wollen, nicht sagen dürfen."

Damit hebelte Drohsel die Argumentation der Parteiführung komplett aus. Am Mittag hatte der neue SPD-Chef Sigmar Gabriel noch gewitzelt, er sei "Vorsitzender des Fanclubs zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer". Spätestens zu diesem Zeitpunkt war den Delegierten schon nicht mehr vermittelbar, warum die Vermögenssteuer nicht explizit in den zur Abstimmung stehenden Leitantrag des Parteitages aufgenommen werden sollte. Ein Delegierter, der die Haltung der Spitze versuchte zu verteidigen, ernte gar Pfiffe und Buhrufe.

"Wir haben uns angeguckt"

Olaf Scholz, der neue Partei-Vize, trat anschließend ans Pult und entschärfte die Situation, bevor es zur aussichtlosen Kampfabstimmung kommen konnte. "Wir haben uns alle angeguckt. Das Ergebnis ist eindeutig, denn das ist das, was die meisten hier wollen." Mit anderen Worten: Drohsels Antrag wird übernommen.

Mit dem Beschluss zur Vermögensteuer korrigiert die SPD ihren Kurs in der Steuerpolitik, denn in das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl war sie auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier nicht aufgenommen worden. Doch jetzt heißt es: Vermögende sollten mehr in die Verantwortung für das Gemeinwohl genommen werden.

Auch zur umstrittenen Rente mit 67 und einigen Arbeitsmarktgesetzen ging der Parteitag auf Distanz und forderte eine Überprüfung. Umstritten war auch der Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Eine Mehrheit votierte aber dagegen, sich auf ein konkretes Datum für einen Abzug festzulegen.

Außerdem will sich die SPD den Plänen von Union und FDP zur Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke vehement entgegenstemmen. Der Parteitag beschloss einstimmig, zusammen mit den Umweltverbänden eine Anti-Atom-Kampagne zu starten.

Unterstützung für die Studenten

Die Proteste der Studenten gegen Studiengebühren und ihr Engagement für bessere Lernbedingungen unterstützt die SPD. "Dort, wo die Union Studiengebühren eingeführt hat, müssen sie wieder abgeschafft werden", heißt in einer Resolution. "Wir brauchen mehr Chancengleichheit in der Bildung. Finanzielle Hürden müssen abgebaut werden. Die SPD steht für eine gebührenfreie Bildung von der Kita bis einschließlich zum Master an der Hochschule." "Fehlentwicklungen" bei der Einführung der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge müssten korrigiert werden, heißt es weiter. "Wir wollen mehr Wahlfreiheit, entschlackte Studienordnungen und eine verbesserte Praxisorientierung."

Die Delegierten wählten zudem den Parteivorstand neu. Dabei flog die frühere DGB-Vizevorsitzende Ursula Engelen-Kefer nach 23 Jahren überraschend aus dem Führungsgremium. Die 66-Jährige scheiterte in beiden Wahlgängen. Verabschiedet wurden der bisherige Parteichef Franz Müntefering und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, der nicht mehr als Partei-Vize kandidiert hatte.

In dem Leitantrag, der mit nur einer Nein-Stimme und vier Enthaltungen angenommen wurde, listet die SPD eine Fülle von Ursachen für ihre schwerste Wahlniederlage in der Nachkriegszeit auf. Eine zentrale Rolle hätten dabei die Hartz-IV-Arbeitsmarktreformen, die Rente mit 67, häufige Wechsel an der Führungsspitze sowie öffentlich ausgetragene Flügelkämpfe in der Partei gespielt. Bei der Bundestagswahl am 27. September hatte die SPD nur noch 23 Prozent erhalten.

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