Überprüfung der Vereinten Nationen:Deutschland stellt sich dem Menschenrechts-TÜV

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Ermittlungspannen bei den NSU-Morden, Polizeigewalt, Benachteiligung von Migranten: Beim sogenannten Menschenrechts-TÜV der Vereinten Nationen muss sich Deutschland kritischen Fragen anderer Staaten stellen. Die kommen auch aus Ländern wie Nordkorea, Iran und Pakistan.

Von Sarah Ehrmann, Berlin

Auf der Liste der Länder, die Deutschland eine Empfehlung zu Menschenrechten aussprechen wollen, stehen Nordkorea, Iran und Pakistan. Gewöhnlich zählen diese Länder eher zu denen, die von Deutschland wegen Verstößen gegen die Menschenrechte kritisiert werden. Aber an diesem Donnerstag muss sich Deutschland in Genf von neun Uhr an dem sogenannten Menschenrechts-TÜV der Vereinten Nationen ( Universal Periodic Review) und den Fragen der anderen Mitgliedsstaaten stellen. Jede Nation darf fragen und empfehlen - 97 Länder haben sich auf die Liste setzen lassen.

Die Bundesregierung rechnet damit, dass sie vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen dafür kritisiert wird, dass Polizei und Bundesnachrichtendienst viele Jahre lang erfolglos gegen die rechtsradikale Terrorzelle NSU ermittelten. Der FDP-Politiker und Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, sagte am Dienstag in Berlin, der NSU-Komplex werde sehr wahrscheinlich in Genf zur Sprache kommen.

Im Kern gehe es dabei um die Frage, warum der rassistische Hintergrund der Mordserie erst so spät erkannt wurde. Die Türkei hat Fragebedarf angemeldet - von den insgesamt zehn Mordopfern des NSU hatten acht türkische Wurzeln. Kritik erwartet Löning auch zu Rassismus, Polizeigewalt und Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund oder Behinderung. "Da hat sich was getan, aber wir sind noch nicht da, wo wir sein sollten", sagte er.

Vor viereinhalb Jahren fand der Universal Periodic Review zum ersten Mal statt - für Deutschland ist es die zweite Überprüfung. In einem 21-seitigen Bericht führen Bundesregierung und Auswärtiges Amt auf, was sich seither getan hat. Rechtliche Neuregelungen sind beispielsweise, dass Zwangsverheiratung als Straftatbestand gilt oder die Bleiberechtsregelung für gut integrierte geduldete Jugendliche und Heranwachsende. Zudem sind neue unabhängige Menschenrechtsinstitutionen entstanden wie die Bundesstelle zur Verhütung von Folter. Das Deutsche Institut für Menschenrechte wurde als unabhängige Monitoringstelle bestimmt.

Bis Ende Juli muss Deutschland über die Empfehlungen entscheiden

Löning betonte, wie wichtig es sei, dass Deutschland die Fragen und Empfehlungen ernstnehme, auch wenn die Menschenrechte bereits auf einem hohen Niveau verwirklicht seien: "Wir müssen zeigen, dass wir uns den Fragen stellen und eine Politik, Gesetze und gesellschaftliche Mechanismen entwickeln, um Fehlentwicklungen aufzudecken und daran zu arbeiten".

Für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ist die universelle Staatenprüfung eine Richtschnur für Forderungen. Sie können damit anprangern, wenn Vereinbarungen zu langsam oder gar nicht umgesetzt werden. Grundlagen für die Überprüfung sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Charta der Vereinten Nationen sowie sämtliche UN-Menschenrechtsabkommen, die vom jeweiligen Staat ratifiziert werden. Bis Ende Juli muss Deutschland entscheiden, welche Empfehlung es aus der Anhörung annehmen wird.

Das Forum Menschenrechte wirft der Bundesregierung vor, Menschenrechte im eigenen Land nicht ausreichend zu achten. So bleibe sie in Politikfeldern wie Asyl, Migration und Diskriminierung hinter dem zurück, was sie sich selbst auferlegt hätte und wozu sie sich verpflichtet habe, heißt es von dem Netzwerk, dem mehr als 50 Nicht-Regierungsorganisationen angehören. In ihrem Staatenbericht zur Umsetzung der Menschenrechte erwähne die Regierung das Thema Armut nicht. "Bei der Behandlung unbegleiteter Minderjähriger im Asylverfahren muss von einem Versagen der Politik gesprochen werden", so das Netzwerk.

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