Überparteiliche Erklärung:Ostminister fordern Ausgleich für Kürzungen

Die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung haben im Osten bisher keinen Erfolg gebracht. Über Parteigrenzen hinweg setzen sich die Arbeitsminister der ostdeutschen Länder deshalb dafür ein, Förderprogramme zu erhalten. Kaufkraftverluste durch die Kürzung der Arbeitslosenhilfe soll der Bund ausgleichen.

Von Robert Jacobi

(SZ vom 2. September 2003) "Die bisherigen Reformgesetze haben den Arbeitsmarkt bei uns nicht entlastet", sagte der Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter (PDS), nach einem Treffen mit seinen ostdeutschen Amtskollegen. Weder Personalserviceagenturen noch Minijobs oder das Kreditprogramm "Kapital für Arbeit" hätten bisher eine positive Wirkung entfaltet.

Zwar gebe es eine rege Nachfrage nach Zuschüssen zu Ich-AGs. Es sei aber unklar, wie lange sich die Betroffenen in der Selbstständigkeit halten könnten. Auch wirke das Instrument kontraproduktiv, wenn beispielsweise Bauunternehmer ihre Mitarbeiter unter Druck setzten, sich als Ich-AG auszugründen, um Lohnnebenkosten zu sparen.

Zusätzlich belastet werde die Statistik dadurch, dass 33000 Menschen weniger in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) oder Fortbildung seien als im vergangenen Jahr. Im Juli lag die Arbeitslosenquote im Osten bei 18,5Prozent, im Westen dagegen bei 8,3Prozent. Die Zahlen für August gibt die Bundesanstalt für Arbeit (BA) am Donnerstag bekannt.

Sorge um die Kaufkraft

Die ersten beiden der so genannten Hartz-Gesetze waren im Januar in Kraft getreten. "Diese Gesetze bringen nichts für Bundesländer mit hoher Arbeitslosigkeit", sagte auch Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Gillo (CDU).

Zwar könne schneller vermittelt werden, was aber nichts nutze, wenn es keine Arbeitsangebot gebe. Die Entwürfe von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) für das dritte Gesetz, das den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit regelt, und das vierte Gesetz zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe hatte das Bundeskabinett im August beschlossen.

Die Pakete sollen im Herbst parlamentarisch beraten werden. Den Menschen in den ostdeutschen Ländern stünde nach der Zusammenlegung der Hilfsleistungen insgesamt mindestens eine Milliarde Euro jährlich weniger zur Verfügung, heißt es in einer Erklärung der Minister. Wenn der Verlust an Kaufkraft nicht ausgeglichen werde, "steigt die Arbeitslosigkeit weiter", sagte Gillo.

Die Minister fordern den Bund deshalb auf, ein "kommunales Infrastrukturprogramm" aufzulegen, das den ersten Arbeitsmarkt stärken und Städte und Gemeinden entlasten soll. Darüber hinaus soll der Bund in allen Ländern, in denen die Arbeitslosigkeit um 50 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt - was im Osten flächendeckend der Fall ist - "verstärkte Anstrengungen zur Wirtschafts- und Innovationsförderung" unternehmen.

Zweiter Arbeitsmarkt im Osten

Dies soll auch für einzelne Regionen im Westen gelten, die das Kriterium erfüllen, auch wenn die Marke landesweit nicht erreicht wird. Zuletzt hatte auch Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) gefordert, die Probleme des Ostens stärker zu berücksichtigen. Ähnlich wie Stolpe warnen die Arbeitsminister davor, die Förderprogramme zu schnell zu reduzieren. "Wir brauchen im Osten unbedingt noch einen echten zweiten Arbeitsmarkt", sagte der sächsische Minister Gillo.

Die ABM sollen "vorrangig in besonders strukturschwachen Gebieten" eingesetzt werden. Auch hierbei solle das Kriterium einer Arbeitslosigkeit von 50 Prozent über Bundesschnitt gelten.

Die Minister lehnen es zudem strikt ab, die Landesarbeitsämter zu schwächen oder abzuschaffen. Die Behörden stellten einen "unverzichtbaren Ansprechpartner für die politischen Entscheidungsträger der Länder dar", heißt es in der Erklärung. Clements Gesetzentwurf sieht dagegen vor, die Landesarbeitsämter in Regionaldirektionen unter Führung der BA umzuwandeln.

Die Arbeitsminister räumten ein, dass einzelne Instrumente stärker greifen, wenn die Konjunktur anzieht. "Im Aufschwung könnten die Personalserviceagenturen besser laufen", sagte Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske. Nach Angaben der Minister haben die Agenturen bisher im Osten nur 50 Menschen in Jobs vermittelt. Gillo sagte, dass der Tarifzwang bei der Leiharbeit "einer der Gründe für das Scheitern" sei.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: