Süddeutsche Zeitung

Übergriffe auf Asylbewerber:Bund verweigert Geld für Flüchtlingsheime

Lesezeit: 3 Min.

Von Roland Preuß

De Maizière will Aufteilung der Kosten beibehalten

Die Bundesregierung lehnt es ab, Länder und Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu entlasten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte sich am Dienstag gegen Forderungen des CSU-Chefs Horst Seehofer und der Grünen, die beide vom Bund hier mehr Engagement verlangen. "Es bleibt bei der Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern", sagte de Maizière nach einem Besuch von Flüchtlingseinrichtungen in München.

Seehofer forderte dagegen eine gemeinsame "nationale Kraftanstrengung", um den Zustrom von Flüchtlingen zu bewältigen. Modell könne die Hilfe bei der Hochwasserkatastrophe 2013 sein. Man müsse die Herausforderungen bis hin zur Unterbringung der Flüchtlinge in Heimen zur Gemeinschaftsaufgabe machen, sagte der bayerische Ministerpräsident. Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sowie der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), verlangen Hilfe vom Bund.

De Maizière sagte dagegen, es sei "nicht sinnvoll", dass der Bund selbst Flüchtlinge unterbringe. Jeder habe seine Aufgaben zu erledigen und die des Bundes sei es, die Asylanträge möglichst rasch zu bearbeiten. Derzeit müssen Asyl-Suchende im Durchschnitt sieben Monate auf eine Entscheidung warten. Zudem stelle der Bund bereits Gebäude zur Verfügung, beispielsweise alte Kasernen. Man habe eine Vereinbarung aus den Neunzigerjahren - und die gelte. Die großen Posten wie für die Unterbringung, Verpflegung und ärztliche Versorgung der Flüchtlinge müssen Länder und Kommunen tragen. Diese sehen sich zunehmend überfordert. Im Rahmen der Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern soll auch über eine Kostenübernahme gesprochen werden - aber erst vom Jahr 2019 an.

"Es macht uns alle wütend und beschämt uns"

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat sich bei den Asylbewerbern entschuldigt, die Opfer der Übergriffe von Sicherheitsleuten wurden. Was geschehen sei, sei menschenverachtend, sagte Jäger in Düsseldorf. "Es macht uns alle wütend und beschämt uns", betonte er. Jäger sicherte zu, dass jedem Hinweis auf solche Vorfälle nachgegangen werde: "Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt." Auch die Möglichkeit eines fremdenfeindlichen Hintergrunds werde geprüft. Derzeit werde gegen elf Verdächtige ermittelt.

Zusammenarbeit werde es künftig nur noch mit Sicherheitsfirmen geben, deren Mitarbeiter sich freiwillig von Polizei und Verfassungsschutz überprüfen lassen. Niemals werde jemand wieder eine Flüchtlingseinrichtung in NRW betreten, ohne dass er "sicherheitsüberprüft" worden sei. Jäger machte auch deutlich, dass es sich aus seiner Sicht um "Fehler einzelner Krimineller" gehandelt habe.

Tatverdächtiger spricht von "Problemzimmer" in Burbach

Nach den Misshandlungsvorwürfen in einer Notunterkunft für Flüchtlinge in Burbach hat sich einer der Verdächtigen in einem Interview geäußert. In der Unterkunft habe es ein nur mit Matrazen ausgestattetes "Problemzimmer" gegeben, in dem angetrunkene oder randalierende Heimbewohner eingesperrt worden seien, sagte der Mann dem Siegerlandkurier (Onlineausgabe). Aus dem Heim stammt das schockierende Video, in dem ein Flüchtling gezwungen wird, sich auf eine Matratze mit Erbrochenem zu legen. Wegen der Aussagen des Verdächtigen werde nun auch wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung ermittelt, sagte NRW-Innenminister Jäger.

Der Mann sprach in dem Interview außerdem von einem "deutlich erkennbaren rechten Hintergrund" bei einigen seiner ehemaligen Kollegen. Der Polizei warf er vor, sie habe randalierende Flüchtlinge nicht festnehmen wollen, nachdem sie von den Sicherheitsleuten alarmiert worden sei. "Wir prüfen, ob das Anhaltspunkte für ein Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten ergibt", sagte der Siegener Oberstaatsanwalt Johannes Daheim. Nach Polizeiangaben hatte der Verdächtige, der sich im Interview äußert, diese Angaben in seiner Vernehmung nicht gemacht.

Sind die Übergriffe in NRW Einzelfälle?

Der Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly, forderte einheitliche Mindeststandards für den Umgang mit Flüchtlingen. "Wir haben im Moment einen Fleckenteppich von 16 verschiedenen Asylausführungsgesetzen, die komplett unterschiedlich sind", sagte er im Deutschlandfunk. Maly warnte davor, nach den Vorfällen in Nordrhein-Westfalen alle Beschäftigten in Flüchtlingsunterkünften unter Generalverdacht zu stellen. "Das, was da passiert ist, ist unentschuldbar. Aber wir haben auch ganz andere Erfahrungen."

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), warnte dagegen davor, die jüngsten Übergriffe auf Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen voreilig als Einzelfälle einzustufen. Im Südwestrundfunk sagte Strässer, niemand solle sich sicher sein, dass es sich um bundesweite Ausnahmen handele. Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Reiner Wendt hält die Übergriffe in den NRW-Heimen nur für die Spitze des Eisbergs. "Davon bin ich überzeugt", sagte er der Saarbrücker Zeitung. In allen Bundesländern müsse jetzt genau geschaut werden, wen man in Flüchtlingsheimen beschäftige.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2154554
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/dpa/AFPmane
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.