"Es macht uns alle wütend und beschämt uns"
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat sich bei den Asylbewerbern entschuldigt, die Opfer der Übergriffe von Sicherheitsleuten wurden. Was geschehen sei, sei menschenverachtend, sagte Jäger in Düsseldorf. "Es macht uns alle wütend und beschämt uns", betonte er. Jäger sicherte zu, dass jedem Hinweis auf solche Vorfälle nachgegangen werde: "Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt." Auch die Möglichkeit eines fremdenfeindlichen Hintergrunds werde geprüft. Derzeit werde gegen elf Verdächtige ermittelt.
Zusammenarbeit werde es künftig nur noch mit Sicherheitsfirmen geben, deren Mitarbeiter sich freiwillig von Polizei und Verfassungsschutz überprüfen lassen. Niemals werde jemand wieder eine Flüchtlingseinrichtung in NRW betreten, ohne dass er "sicherheitsüberprüft" worden sei. Jäger machte auch deutlich, dass es sich aus seiner Sicht um "Fehler einzelner Krimineller" gehandelt habe.
Tatverdächtiger spricht von "Problemzimmer" in Burbach
Nach den Misshandlungsvorwürfen in einer Notunterkunft für Flüchtlinge in Burbach hat sich einer der Verdächtigen in einem Interview geäußert. In der Unterkunft habe es ein nur mit Matrazen ausgestattetes "Problemzimmer" gegeben, in dem angetrunkene oder randalierende Heimbewohner eingesperrt worden seien, sagte der Mann dem Siegerlandkurier (Onlineausgabe). Aus dem Heim stammt das schockierende Video, in dem ein Flüchtling gezwungen wird, sich auf eine Matratze mit Erbrochenem zu legen. Wegen der Aussagen des Verdächtigen werde nun auch wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung ermittelt, sagte NRW-Innenminister Jäger.
Der Mann sprach in dem Interview außerdem von einem "deutlich erkennbaren rechten Hintergrund" bei einigen seiner ehemaligen Kollegen. Der Polizei warf er vor, sie habe randalierende Flüchtlinge nicht festnehmen wollen, nachdem sie von den Sicherheitsleuten alarmiert worden sei. "Wir prüfen, ob das Anhaltspunkte für ein Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten ergibt", sagte der Siegener Oberstaatsanwalt Johannes Daheim. Nach Polizeiangaben hatte der Verdächtige, der sich im Interview äußert, diese Angaben in seiner Vernehmung nicht gemacht.
De Maizière hält sich mit Schuldzuweisungen zurück
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bezeichnete die Vorfälle als bestürzend. Er hielt sich aber mit politischen Schuldzuweisungen zurück. "Ich bin zuversichtlich, dass das Land Nordrhein-Westfalen die bestürzenden und bedrückenden Vorfälle restlos aufklären wird, und ich bin ebenso zuversichtlich, dass das Land Nordrhein-Westfalen diese Mängel unverzüglich abstellen wird", sagte er in München. Eine Diskussion über die Standards bei der Unterbringung sei nicht nötig.
De Maizière erwartet absehbar keine Entspannung beim Ansturm von Flüchtlingen nach Deutschland. Die Zahlen seien derzeit so hoch wie seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr. Es sei nicht zu erwarten, dass sie sich bald erheblich reduzieren. Der Bundesinnenminister besuchte München, um sich an verschiedenen Stellen über die Erstaufnahme und Unterkunft von Flüchtlingen zu informieren. Dazu tauschte er sich auch mit dem bayerischen Kabinett aus.
Sind die Übergriffe in NRW Einzelfälle?
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly, forderte einheitliche Mindeststandards für den Umgang mit Flüchtlingen. "Wir haben im Moment einen Fleckenteppich von 16 verschiedenen Asylausführungsgesetzen, die komplett unterschiedlich sind", sagte er im Deutschlandfunk. Maly warnte davor, nach den Vorfällen in Nordrhein-Westfalen alle Beschäftigten in Flüchtlingsunterkünften unter Generalverdacht zu stellen. "Das, was da passiert ist, ist unentschuldbar. Aber wir haben auch ganz andere Erfahrungen."
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), warnte dagegen davor, die jüngsten Übergriffe auf Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen voreilig als Einzelfälle einzustufen. Im Südwestrundfunk sagte Strässer, niemand solle sich sicher sein, dass es sich um bundesweite Ausnahmen handele. Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Reiner Wendt hält die Übergriffe in den NRW-Heimen nur für die Spitze des Eisbergs. "Davon bin ich überzeugt", sagte er der Saarbrücker Zeitung. In allen Bundesländern müsse jetzt genau geschaut werden, wen man in Flüchtlingsheimen beschäftige.