Übergriff in Arnsdorf:Bürgerwehr in Sachsen fesselt Flüchtling an Baum

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  • Mehrere Männer zerren einen jungen Iraker aus einem Supermarkt in Arnsdorf im Landkreis Bautzen und fesseln ihn mit Kabelbindern an einen Baum.
  • Der junge Mann ist psychisch krank und soll eine Mitarbeiterin bedroht haben.
  • Die Polizei ermittelt gegen ihn und die vier Männer. Der Görlitzer Polizeipräsident äußerte sich inzwischen, er halte das Festhalten des Flüchtlings für gerechtfertigt.

Es ist ein Fall von Selbstjustiz: Nachdem ein 21-jähriger Iraker in einem Netto-Supermarkt eine Mitarbeiterin bedroht haben soll, zerren ihn mehrere Männer nach draußen und fesseln ihn mit Kabelbindern an einen Baum. Wie die Sächsische Zeitung und die Bild berichten, ereignete sich der Vorfall im sächsischen Arnsdorf (Landkreis Bautzen) bereits am 21. Mai. Die Polizei machte ihn aber erst jetzt bekannt, nachdem ein Video im Internet aufgetaucht war.

Einer Pressemitteilung zufolge ist der Asylbewerber psychisch krank und deswegen in einer örtlichen Psychiatrie untergebracht. Offenbar hatte er Probleme mit seiner Telefonkarte und war bereits zum dritten Mal in dem Supermarkt aufgetaucht. Als Angestellte ihm erklärten, er habe lediglich kein Guthaben mehr, soll er wütend geworden sein.

Im Video ist zu sehen, wie er mit einer Flasche im Kassenbereich steht und mit den Angestellten diskutiert. Plötzlich laufen vier Männer herein, sie nehmen dem Iraker die Flasche ab, schlagen und zerren ihn nach draußen. Augenzeugen zufolge trugen sie T-Shirts mit der Aufschrift "Bürgerwehr".

Von den Mitarbeitern greift keiner ein. Nur eine Frau ist zu hören: "Ist schon schade, dass man 'ne Bürgerwehr braucht." Dann bricht das Video ab. Laut Pressemitteilung fand die herbeigerufene Polizei den Iraker mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt vor. Die Männer erklärten, sie hätten ihn lediglich an der Flucht hindern wollen. Die Beamten forderten sie auf, den Platz zu verlassen. Sanitäter kümmerten sich um den Asylbewerber und brachten ihn zurück ins Krankenhaus.

Wie die Polizei und Netto reagiert

Der Polizei zufolge wird derzeit gegen den jungen Iraker wegen des Verdachts der Bedrohung und gegen die vier Männer wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung ermittelt. Bisher sei der Polizei aber nicht bekannt, wer die mutmaßlichen Täter sind. "Es war den Streifenpolizisten vor Ort nicht möglich, die Personalien in der heiklen Situation aufzunehmen", wird ein Polizeisprecher von Bild zitiert.

Der Sächsischen Zeitung zufolge handelt es sich bei einem der Männer um einen CDU-Gemeinderat. Auf den Vorfall angesprochen erklärte er lediglich: "Wir haben Zivilcourage gezeigt und hätten das bei jedem anderen ebenfalls getan. Auch wenn es ein Deutscher gewesen wäre."

Mittlerweile hat sich auch Netto geäußert. Keiner der Mitarbeiter habe die Männer zu Hilfe gerufen, heißt es bei Facebook. Und weiter: "Das gezeigte Vorgehen im Video widerspricht unseren Unternehmensvorgaben und wird von Netto Marken-Discount in keiner Weise gebilligt."

Falschmeldung, die sich im Netz verbreitet

In den Sozialen Netzwerken hat sich mittlerweile eine andere Interpretation des Vorfalls verbreitet: Angeblich habe der junge Iraker Weinflaschen klauen wollen. Als ihn Mitarbeiter des Supermarktes stellten, soll er ausfällig geworden sein. So beschreiben es diverse Youtube-Nutzer, die das Video hochgeladen haben. Bei Facebook wird diese Darstellung übernommen. Wohl auch deswegen fühlte sich die Polizei genötigt eine Pressemitteilung mit Details zu veröffentlichen.

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