Wenn einer der höchsten Diplomaten des Landes sich dazu hinreißen lässt, öffentlich seinen Unmut zu zeigen, liegt etwas schwer im Argen. Der Twitter-Account des französischen Botschafters in Washington, Philippe Étienne, ist eigentlich kein Ort, auf dem Streitigkeiten ausgetragen werden. Doch am Donnerstag schreibt Étienne: "Interessanterweise besiegte die französische Marine vor genau 240 Jahren die britische Marine in Chesapeake Bay und ebnete so den Weg für den Sieg in Yorktown und die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten."
Was klingt wie eine kleine Geschichtsstunde, ist tatsächlich ein beleidigter Hieb gegen die britische und die amerikanische Regierung. Zwei Tage nachdem die USA sich gemeinsam mit Großbritannien und Australien zum "Aukus"-Bündnis zusammengetan haben, um ihren militärischen Einfluss im Indopazifik auszubauen, schäumt Frankreich immer noch vor Wut. Am Freitagabend rief Staatspräsident Emmanuel Macron schließlich Étienne aus den USA sowie seinen Botschafter aus Australien zurück. Zu Konsultationen, erklärte Außenminister Jean-Yves Le Drian - das ist ein höchst ungewöhnlicher Schritt und verdeutlicht den Zorn in Paris.
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Mit zusätzlichen Atom-U-Booten wollen Australien, die USA und Großbritannien den Südpazifik absichern. Damit würden sie den Frieden in der Region untergraben, warnt Peking.
Étiennes Tweet illustriert dabei die diplomatische Komponente des Konflikts: Paris fühlt sich als historischer Verbündeter Londons und Washingtons hintergangen und belogen. Nicht nur, dass Frankreich vom Aukus-Bündnis ausgeschlossen ist. Indem sich die USA, Großbritannien und Australien zusammengetan haben, wurde Frankreich wirtschaftlich geschädigt.
Der Kern von Aukus ist die gemeinsame Produktion von atomar betriebenen U-Booten, die das Bündnis gemeinsam in Australien bauen lassen will. Dadurch platzte eine 56-Milliarden-Euro-Vereinbarung, die Australien bereits mit dem französischen Rüstungsunternehmen Naval Group geschlossen hatte, das zu 60 Prozent dem Staat gehört. Doch darüber hinaus sieht Frankreich sich auch geopolitisch geschwächt. Die militärische Kooperation mit Australien war einer der Pfeiler von Macrons Pazifik-Politik, für die auch die Zusammenarbeit mit Indien vertieft werden sollte. Einer dieser zwei Partner, nämlich Canberra, hat sich nun kurz entschlossen umorientiert.
Frankreich will das Ende des Deals aus den Nachrichten erfahren haben
Als wie heftig Paris den Affront empfindet, zeigt sich nun eben unter anderem an dem Erinnern an die Seeschlacht vor der Chesapeake Bay, wo die französische Marine im September 1781 während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges gegen die britische Marine kämpfte. Im Gedenken an diese Schlacht und zur Feier der durch sie symbolisierten amerikanisch-französischen Freundschaft hatte die französische Botschaft in Washington für Freitag zu einem Gala-Empfang eingeladen. Am Donnerstag sagten die Franzosen das Fest ab.
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Die drei Länder gründen die wohl vor allem gegen China gerichtete Sicherheitsallianz "Aukus" - und drängen damit ganz nebenbei Frankreich an den Rand.
Zuvor hatte Außenminister Jean-Yves Le Drian in einem Radiointerview mit dem Sender France Info die amerikanische, britische und australische Regierung ungewöhnlich scharf angegriffen. Er sei "wütend und getroffen", die Aufkündigung des französischen U-Boot-Deals sei eine "brutale, einseitige und nicht vorhersehbare Entscheidung", die ihn "sehr an das Verhalten von Herrn Trump" erinnere. Frankreich betont, dass es erst aus den Nachrichten von dem Ende des Rüstungsdeals und von dem Entstehen des neuen Bündnisses erfahren habe. Die Nachfrage von Journalisten, was US-Präsident Joe Biden über die französischen Vorwürfe denke, ließ die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, mit einer Art verbalem Schulterzucken abperlen. "Der Präsident denkt darüber nicht viel", sagte Psaki.
Für Frankreich bedeutet der U-Boot-Konflikt auch eine Konfrontation mit Großbritannien. Paris hatte gehofft, nach dem Brexit zum bevorzugten Partner der USA in geopolitischen Fragen zu werden. Doch in dem neuen Aukus-Bündnis bevorzugt Washington nun eindeutig London. Auch wenn der britische Premierminister Boris Johnson am Donnerstag betonte, das englisch-französische Verhältnis stehe "felsenfest", fügt sich der neue Streit ein in eine Liste der Konflikte. London und Paris sind in den vergangenen Monaten sowohl über Migrationsfragen als auch über Fischereirechte im Ärmelkanal aneinandergeraten.
In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten Außenminister Le Drian und Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly nun erneut die "bedauerliche Entscheidung", Frankreich "als Verbündeten und Partner auszuschließen". Sie betonten auch, dass so "die Notwendigkeit unterstrichen" worden sei, "laut und deutlich das Thema der Europäischen Souveränität" zu adressieren. "Es gibt keinen anderen glaubwürdigen Weg, unsere Interessen und Werte in der Welt zu verteidigen, die Indopazifik-Region eingeschlossen," erklärten Le Drian und Parly.
Frankreich nimmt den aktuellen Konflikt somit zum Anlass, eine der zentralen europäischen Forderungen von Präsident Emmanuel Macron wieder in den Fokus zu rücken. Anders als Deutschland will Macron sich weniger stark auf das transatlantische Bündnis mit den USA verlassen. Eine Überzeugung, an der Macron auch nach Ende der Präsidentschaft Donald Trumps festhielt. Im Indopazifik stellt sich für Frankreich dieselbe Frage wie für die USA, Großbritannien und Australien: Wie mit der militärischen Aufrüstung Chinas umgehen? Frankreich setzt dabei auf einen weniger konfrontativen Kurs als die USA. Und hofft auf ein handlungsfähiges europäisches Bündnis.