Redner beim SPD-Parteitag:Ein Mann für die Langfassung

Steinbrück fädelt Gedankenketten, Gabriel bestärkt die Überzeugten und Roth steigert sich bis zur Hysterie: Auf dem SPD-Parteitag waren unterschiedliche Redner-Typen zu erleben. Eine Übersicht über die Vertreter der einzelnen Gattungen.

Von Kurt Kister, Augsburg

Peer Steinbrück ist ein Vortragsredner. Das ist kein billiger Scherz unter Anspielung auf seine früheren Nebenverdienste. Es beschreibt vielmehr Steinbrücks grundsätzliche Art, politische Reden zu halten. Er entwickelt längere Gedankengänge, die sich für Satzapplaus eigentlich wenig eignen. Er leitet in zwei, drei Absätzen her, was er mitteilen will. Und er erwartet, dass ihm seine Zuhörer in zweierlei Hinsicht folgen: Sie sollen zuhören und mitdenken und sie sollen als Folge dieses Prozesses zu denselben Schlüssen kommen wie er.

Der Vortragsredner Steinbrück möchte, dass seine Zuhörer der Logik seiner Gedanken folgen. Wenn er im Gang eines solchen Referats, das keineswegs inhärent langweilig sein muss, die Stimme hebt, dann geschieht dies unter zwei verschiedenen Umständen. Entweder, und das liegt ihm sehr nahe, will er mit der Lautstärke das Fazit einer Gedankenkette unterstreichen: Weil dies und das so und so ist, bedeutet das dies und das. Auf solche logischen Ketten ist er stolz. Für die durchschnittlichen Zuhörer ist das nicht ganz einfach. Es erfordert Konzentration, Aufmerksamkeit, Nachdenkwillen.

Natürlich weiß Steinbrück andererseits, dass er gelegentlich inmitten eines solchen Vortrags auch simple Jubelsätze unterbringen muss. Das fällt ihm nicht leicht und manchmal schwer. Am besten klappt es, wenn er selbstironisch wird. Am sonderbarsten, nahezu künstlich klingt es, wenn er ostentativ kämpferisch sein will. Peer Steinbrück ist ein guter politischer Redner. Aber er ist mehr Analytiker, Bundestagsredner, der Mann für die Langfassung.

Symptomatisch für ihn war der Schluss seiner Rede in Augsburg: Eigentlich waren das lauter Sätze mit Ausrufezeichen, jeder einzelne hätte in den Saal geschrieen werden sollen. Steinbrück aber moderierte mit diesen Sätzen in abnehmender Lautstärke und unter Zusammenziehung von Satzenden und -anfängen seine analytische Rede ab. Das Parteivolk jubelte trotzdem.

Gabriel bestärkt die bereits Überzeugten

Sigmar Gabriel dagegen, auch das ist nicht polemisch gemeint, ist eher ein Meister der konfrontativen Kurzfassung. Sicher hat er, der Parteivorsitzende auf einem Parteitag eine andere Rolle als der Kanzlerkandidat. Er muss anheizen, angreifen, garstig sein. Das aber kann Gabriel gut, unabhängig davon, welche Rolle er gerade spielen muss. Er ist als Redner ein anderer Typ als Steinbrück.

Das beginnt mit seinem Tonfall - penetrant bis an die Grenze des Unangenehmen - , geht weiter mit seiner ausgeprägten Fähigkeit polarisierend zu argumentieren und hört nicht auf bei seiner Leidenschaft, die Welt in Gute und Böse zu sortieren. Auch Gabriel ist ein guter politischer Redner, aber eigentlich einer, der am besten für die eigenen Leute ist. Er überzeugt nicht so sehr, aber er bestärkt die bereits Überzeugten.

Und, um die Rednertypen auf dem SPD-Parteitag zu vervollständigen: Es gibt auch noch die laut vorgetragene Leidenschaft à la Claudia Roth. Sie entspricht praktisch immer den Vorurteilen, die man über sie hat, weswegen die meisten Vorurteile über Claudia Roth auch längst Urteile geworden sind. Passions-Rhetoriker wie Roth (ge)brauchen Tremolo, Aufregung sowie die Fähigkeit, sich kurzfristig in einen Vorzustand der Hysterie zu steigern. Sie nerven auf die Dauer ungeheuer. Sie können aber unter bestimmten Umständen mit einem bestimmten Publikum einen Saal zum Kochen bringen.

Sie müssen nicht argumentieren, sondern fühlen; sie dürfen Phrasen nicht scheuen, sondern sie müssen sie massenhaft verbreiten; sie können die eigenen Leute manchmal glänzend motivieren. Manchmal aber werden die Hysterie-Redner auch genau wegen all dieser Dinge von der Partei abgestraft oder sogar gestürzt.

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