Süddeutsche Zeitung

TV-Triell der Kanzlerkandidaten:Baerbock zu Laschet: "Offensichtlich haben Sie keinen Plan"

Erstes TV-Triell der Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz: Zu Beginn will keiner Gründe vorbringen, warum es der andere nicht kann. Aber nicht nur bei der Klimapolitik wird es kontrovers.

Die drei Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD), Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) haben zum Beginn des ersten Triells kurz vor der Bundestagswahl Fairness gezeigt. Auf die Frage, warum einer der anderen Kandidaten "nicht Kanzler kann", verweigerten sie jeweils die Antwort. "Ich glaube, dass das nicht der Stil ist, den wir in Deutschland pflegen sollten, dass wir über die anderen sagen, was sie nicht können", sagte Scholz am Sonntag in der Diskussionsrunde von RTL und ntv. "Wir sollten für das werben, was uns selber wichtig ist."

Auch Laschet betonte, er wolle lieber für das werben, wofür er stehe. "Den Wähler interessiert ja nicht, warum ich jemand anderen schlecht finde, sondern der fragt: Warum glaubst Du denn, dass Du es kannst." Baerbock verhielt sich genauso. Sie betonte: "Wir brauchen jetzt einen wirklichen Aufbruch."

Thema Afghanistan-Einsatz

Die drei Kanzlerkandidaten fordern nach dem Desaster beim Abzug der Nato aus Afghanistan eine Stärkung der sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands. Laschet bekräftigte seine Forderung nach der Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates, angebunden an das Kanzleramt. "Wir werden unsere Bundeswehr besser ausstatten müssen", sagte er. Der Siegeszug der Taliban in Afghanistan sei ein Desaster für den Westen und die Bundesregierung.

Baerbock warf der Bundesregierung vor, sich in Afghanistan weggeduckt zu haben. "Sie haben innenpolitische Motive über außenpolitische Verantwortung gestellt", sagte sie. Baerbock kritisierte zudem, dass das Auswärtige Amt nicht ausreichend schnell Visa für Schutzbedürftige ausgestellt zu haben.

Scholz, dessen Parteifreund Heiko Maas an der Spitze des Auswärtigen Amtes steht, forderte, die internationale Zusammenarbeit zu verstärken und auch künftig Bundeswehrsoldaten für Einsätze zum Schutz von Frieden und Sicherheit bereitzustellen. Er nahm für sich in Anspruch, dass mit ihm als Finanzminister der Verteidigungshaushalt über 50 Milliarden Euro gestiegen sei. "Die schlechte Zeit für die Bundeswehr war in der schwarz-gelben Koalition", sagte Scholz.

Thema Klimaschutz

Beim Thema Klimaschutz warft Baerbock Scholz vor, nur im Wahlkampf den Kämpfer gegen den Klimawandel zu spielen. Wenn die nächste Regierung nicht alles auf Klimaneutralität ausrichte, bekomme Deutschland ein "fettes Problem". Die Politik müsse klare Prioritäten vorgeben und sich nicht wegducken: "Wir brauchen saubere Heizungen in den Kellern", nannte die Grünen-Kanzlerkandidatin als Beispiel.

Und Richtung Laschet sagte Baerbock: "Offensichtlich haben Sie keinen Plan." Die CDU müsse endlich Vorschläge vorlegen und nicht nur Vorschläge anderer Parteien torpedieren.

Thema Schulpolitik in der Pandemie

Kämpferisch zeigte sich die Kandidatin der Grünen beim Thema des Umgangs der Politik mit den Kindern in der Corona-Pandemie gezeigt. Der Bund solle etwa in Notsituationen wie der Corona-Pandemie mehr Verantwortung für Kinder und Familien übernehmen, sagte Baerbock. "Deshalb sollte der Bund in Zukunft zum Beispiel bei der Luftfilterausstattung von Schulen oder bei der Ganztagsbetreuung (...) dauerhaft in die Finanzierung mit einsteigen." An die Adresse der amtierenden Koalition von Union und SPD sagte Baerbock: "Eine Politik, die immer sagt, warten wir lieber mal ab, machen wir mal lieber gar nichts, hat dazu geführt, dass Kinder eineinhalb Jahre nicht in die Schule gegangen sind."

Über Fraktionsgrenzen hinweg hätte der Bundestag sich für offene Schulen trotz Corona und den Einbau von Luftfiltern einsetzen sollen. Laschet konterte, Baerbock täusche die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie sage, dass der Bund die Schulen nicht abgesichert habe. "Das ist Ländersache, und in elf Ländern regieren die Grünen mit."

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ließ den Vorwurf nicht auf sich sitzen, dass sich die finanzielle Förderung von Luftfiltern in Schulen wegen ihm als Finanzminister zäh gestaltet habe. "Die Mittel stehen und die stehen auch schon lange zur Verfügung", sagte Scholz. Es habe nun noch eine Vereinbarung mit den Ländern gegeben, das habe noch etwas gedauert. Doch nun seien Rechnungen zu erwarten von bereits eingebauten Luftfiltern.

Thema innere Sicherheit

Laschet spricht sich für eine verstärkte Videoüberwachung des öffentlichen Raums gegen Kriminalität und Gewalttaten aus. Frauen fühlten sich am unsichersten in Unterführungen, Tunneln und Parks, sagte er am Sonntag beim ersten großen TV-Triell kurz vor der Bundestagswahl auf eine Frage. Dagegen sagte Baerbock: "Am unsichersten sind leider Frauen in den eigenen vier Wänden." Sie wies auf Übergriffe von Partnern und Ex-Partnern hin.

Moderator Kloeppel führte dazu eine aktuelle Forsa-Umfrage an, wonach 50 Prozent der Frauen sich an Bahnhöfen und Haltestellen um unsichersten fühlten. Scholz sagte, Videoüberwachung sei eine Möglichkeit, von der schon Gebrauch gemacht werde und die er befürworte. Baerbock warnte dagegen davor, mit den Kameras einen Pappkameraden aufzubauen: "Ich möchte, dass wir unsere Polizei besser ausstatten." In ländlichen Regionen dürften Polizeistationen nicht geschlossen werden.

Thema Steuerpolitik

Laschet griff Scholz und Baerbock in der Steuerpolitik an. "Es ist eine sozialdemokratische Herangehensweise, immer wenn man kann, auch die Grünen sind mit dabei, Steuern zu erhöhen", sagte er. Steuererhöhungsideen von SPD und Grünen seien "töricht". Er sei für die komplette Streichung des Solidaritätszuschlags und einen ähnlichen Unternehmenssteuersatz wie etwa in Frankreich, so dass deutsche Unternehmen im Binnenmarkt nicht abwanderten.

Finanzminister Scholz wandte sich strikt gegen Steuersenkungen. "Ich bin dafür, dass wir unser Steuersystem etwas besser austarieren, indem Leute, die in meiner Einkommenskategorie oder da drüber liegen, etwas mehr zahlen", sagte er. Auf Nachfrage bestätigte er, dass er rund 200 000 Euro im Jahr verdiene. Scholz betonte, der Spitzensteuersatz, der heute relativ früh greife, solle erst später greifen. Auf der anderen Seite solle er aber um drei Prozentpunkte für diejenigen, die ein sehr hohes Einkommen haben, steigen. Steuersenkungen für Unternehmen mit sehr hohen Gewinnen und sehr hohen Einkommen seien nicht drin bei der aktuellen Staatsverschuldung.

Baerbock sagte, es sei zutiefst ungerecht, dass jedes fünfte Kind in Armut lebe. Deshalb sei eine Kindergrundsicherung nötig. Auf die Frage, was eine Familie unter einer Kanzlerin Baerbock einsparen könnte, sagte sie, bei einer Alleinerziehenden mit zwei Kindern wären dies 2000 Euro, wenn man die geplanten Entlastungen und die Kindergrundsicherung zusammenzähle.

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