TV: Obama bei Letterman:"Wie lange sind Sie schon Schwarzer?"

Barack Obama stellt sich dem Fernsehkomiker David Letterman und darf ein ungewöhnliches Geschenk mit nach Hause nehmen.

Moritz Koch

Warum tut sich der Präsident das an? Warum tritt Barack Obama in einer Late-Night-Show auf? Gerade er, der vor einem halben Jahr seine Premiere im Spätfernsehen in den Sand gesetzt hatte? Drängende Fragen - und Showmaster David Letterman hat sich ein paar Antworten zurechtgelegt.

Eine Variante: "Er kommt, weil wir ihm gesagt haben, dass Megan Fox hier ist." Eine andere Möglichkeit: "Er hat Ja gesagt, ohne nachzudenken. So wie Bush im Irak." Haha!, aber immerhin, es gibt Applaus. Auch von Mary Apple aus Missouri. Wahrscheinlich wäre die brünette Frau nicht weiter aufgefallen, wäre da nicht diese herzförmige Kartoffel, die sie bei sich trägt, und die Tatsache, dass sie ihr verschrumpeltes Gewächs schon zum zweiten Mal in Lettermans Studio gebracht hat. Ein gefundenes Fressen für den Fernseh-Zyniker. Genüsslich breitet er seinen Spott über Apple aus.

Barack Obama hat die Szene offenbar genau verfolgt. Als der US-Präsident nach einer Viertelstunde vor die Kameras tritt und der tosende Beifall, mit dem er begrüßt wird, langsam abklingt, verkündet er: "Der Hauptgrund, warum ich heute hier bin, ist, dass ich diese herzförmige Kartoffel sehen will." Die Zuschauer kommen auf ihre Kosten.

Wie gesagt, Obama hat Erfahrung mit Late-Night-Shows. Kaum acht Wochen war er im Amt, da wagte er sich als erster Präsident zu Lettermans Rivalen Jay Leno - und handelte sich mit einem missglückten Witz über die Special Olympics überflüssigen Ärger ein.

Dieses Mal dürfte es keinen Ärger geben, jedenfalls keinen zusätzlichen. Obama unterliefen keine Fehltritte. Probleme hat der Präsident ja auch schon genug. Seine Reformvorhaben stecken fest.

Sein Versuch, das Gesundheitssystem zu reparieren, hat der zerstrittenen Republikanischen Partei neues Leben eingehaucht. Sein Versuch, dem Finanzsystem Regeln aufzuzwingen, hat die Kapitalakrobaten der Wall Street weder gebändigt noch eingeschüchtert. Und sein Versuch, ein Scheitern der Nato in Afghanistan abzuwenden, droht einen Streit mit den europäischen Alliierten auszulösen. Afghanistans Präsident Hamid Karsai hat währenddessen die Forderung von US-General Stanley McChrystal nach einer Aufstockung der US-Truppen am Hindukusch begrüßt. Obama wollte alles auf einmal, als er ins Weiße Haus einzog. Nun läuft er Gefahr, alles zu verlieren.

Die Opposition hat Witterung aufgenommen

Die rechte Opposition hat Witterung aufgenommen und treibt die Regierung immer wieder vor sich her. Natürlich ist das der eigentliche Grund für Obamas Rückkehr ins Spätprogramm, nicht Ms. Apples Herzkartoffel. Er will sich aus der Defensive befreien, mit aller Macht. Er will seinen Reformen neues Leben einhauchen. Er will die Initiative zurückgewinnen.

Schon seit Sonntag ist Obama auf Sendung. Von einem medialen Blitzkrieg schreibt die Washington Post. ABC, CBS, CNN, NBC und dem Latino-Sender Univision gewährte der Präsident Interviews. Ein Marathon, wie ihn keiner seiner Vorgänger bewältigt hatte. Nur Fox-News, das Sprachrohr der Rechten, strafte Obama mit Nichtachtung.

Eine Kartoffel für den Präsidenten

Letterman wird nicht fürchten müssen, vom Präsidenten geschnitten zu werden. Er bringt Obama nie in Verlegenheit, stellt teils sogar die gleichen bierernsten Fragen, die die Fernsehjournalisten schon am Sonntag gestellt hatten. Zum Beispiel: "Wurzelt die wüste Entschlossenheit ihrer Gegner in Rassismus?" Wenigstens ist die Antwort von Obama originell. "Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass ich schon vor der Wahl schwarz war." Jetzt taut auch Letterman auf. "Wirklich? Wie lange sind Sie schon ein Schwarzer?", will er wissen. Das Publikum biegt sich vor Lachen.

Der zweite Höhepunkt des Abends bleibt Apple und ihrer Kartoffel vorbehalten. "Mary, meinst du nicht, es wäre ein nettes Geschenk und ein toller Weg diesen Unsinn zu beenden, wenn du sie einfach dem Präsidenten geben würdest?", fragt Letterman listig. Apple nickt und wirft ihr Schmuckstück auf die Bühne. Inzwischen hat sie vor lauter Verlegenheit eine rote Nase bekommen. "Für mich?", staunt Obama. Er steckt die Kartoffel ein, und Letterman spottet: "Wenn nur der Job so einfach wäre."

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