TV-Kritik: "2009 - Wir wählen":Er kann, wenn man ihn lässt

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier gibt im "Townhall Meeting" auf RTL eine gute Figur ab - weil ihn die Moderatoren vor den lästigen Fragen des Publikums schützen.

Michael König

Die Abspannmusik lief schon, da sagte RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel in Richtung des Kanzlerkandidaten: "Gut!" Und seine Kollegin Maria Gresz von Spiegel TV sagte mit mütterlicher Stimme ebenfalls: "Gut!" Und Frank-Walter Steinmeier, von Beruf Bundesaußenminister und Herausforderer von Angela Merkel, sagte nichts, lächelte ein zufriedenes Lächeln und wich den Blicken der beiden Journalisten aus.

TV-Kritik: "2009 - Wir wählen": Nahmen Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in der RTL-Sendung "2009 - Wir wählen" schützend in ihre Mitte: Peter Kloeppel und Maria Gresz.

Nahmen Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in der RTL-Sendung "2009 - Wir wählen" schützend in ihre Mitte: Peter Kloeppel und Maria Gresz.

(Foto: Foto: ap)

Steinmeier war zu Gast in der von RTL und Spiegel TV produzierten Fernsehsendung "2009 - Wir wählen" auf RTL. Das Format folgt dem amerikanischen Prinzip des "Townhall Meetings": Otto Normalbürger darf dem Spitzenpolitiker vor laufender Kamera Fragen stellen, die dieser dann direkt beantworten muss.

Im Mai hatte RTL Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer solchen Runde eingeladen. Sie sprach darüber, dass sie gut Rouladen kochen könne und auch sonst alles im Griff habe. Das war nicht aufschlussreich, aber womöglich gut für die Sympathiewertung.

Auch ihrem Herausforderer blieb größeres Ungemach erspart. Dass Steinmeier zugab, als Wähler würde er seinen eigenen Deutschland-Plan für Vollbeschäftigung wohl auch für unrealistisch halten, blieb der einzige Patzer.

Steinmeier lobte die Arbeit der "Ideenwerkstatt SPD", die maßgeblich zur Senkung der Arbeitslosenzahlen beigetragen habe, und betonte die Wichtigkeit des Mittelstands für die deutsche Wirtschaft. Als eine Frau im Publikum anmerkte, er könne sie mit solchen Aussagen nicht "weichspülen", konterte Steinmeier mit einer Neuinterpretation des "Veni, vidi, vici" Julius Cäsars: "So meine ich's, so will ich's und so werd ich's machen."

Er töne seine Haare stets grau, "weil sonst immer das Schwarz durchkommt", sagte Steinmeier mit spitzbübischer Miene - eine Anspielung auf Gerhard Schröder (SPD), der eine Farbbehandlung seiner Haare stets verneinte und gegen anders lautende Gerüchte juristisch zu Felde zog.

Gerhard Schröder hätte es gefallen

Einer potentiellen Nichtwählerin redete Steinmeier das Nichtwählen aus. Einem Angestellten der Automobilbranche redete er ein, die Krise werde schon bald aufhören, deshalb müsse er nicht über eine Verlängerung der Abwrackprämie nachdenken. Wer in der darauffolgenden Werbepause auf die ARD-Tagesthemen umschaltete, erfuhr hingegen, dass die Autoindustrie für das Jahr 2010 mit dramatisch schlechten Absatzzahlen rechnet.

Gerhard Schröder hätte der Auftritt seines ehemaligen Untergebenen sicher gefallen. Wenn das "Townhall Meeting" auf RTL eine verwertbare Erkenntnis erbracht hat, dann die: Steinmeier kann Kanzlerkandidat. Wenn man ihn lässt.

Aus den Fehlern nichts gelernt

Und das taten die Moderatoren. Nachdem sich Angela Merkel als Mutter Beimer der Nation profilieren durfte, wollten die Moderatoren dem Herausforderer offenbar ebenfalls seine Chance geben. Oder negativ ausgedrückt: Peter Kloeppel und Maria Gresz hatten aus ihren Fehlern der Erstausgabe nichts gelernt.

Als ein langjähriges SPD-Mitglied aus dem Publikum gerade dazu anhob, die Agenda 2010 und ihren "Mitkonstrukteur" Steinmeier zu geißeln und darauf zu verweisen, dass die Linke profitiere und Prozente einfahre, "die eigentlich uns gehören", da ging Kloeppel dazwischen: "Das lassen wir mal so als Statement stehen!" Und verwies an seine Kollegin, die auf einen Monitor mit einer bunten Grafik zeigte.

"Planen Sie weiteren Nachwuchs?"

Ähnlich verhielt es sich mit der Außenpolitik: Steinmeier durfte das Schröder-Credo "Wir lassen uns nicht auf Abenteuer ein" wiederholen, das seinerzeit auf den Irak-Krieg gemünzt war, an dem sich Deutschland nicht mit Soldaten beteiligte.

Als ein Mann aus dem Publikum rief, Afghanistan sei sehr wohl ein Abenteuer, überhörte es Kloeppel - und erteilte lieber einem anderen Gast das Wort. Der fragte, ob Steinmeier in seiner Vorbildfunktion nicht mehr gegen die Überalterung der Gesellschaft tun müsse. Was Kloeppel dazu animierte, knallhart nachzufragen: "Planen Sie weiteren Nachwuchs?"

Was die Einschaltquoten betraf, war die Bürgersprechstunde mit Merkel für RTL ein Flop. Dem Journalismus wäre zu wünschen, dass die Zuschauer auch den zweiten Gipfel der Harmlosigkeit mit Nichtachtung gestraft haben. Dann bliebe dem Publikum die dritte Auflage der Bürgersprechstunde vielleicht sogar erspart: Am 20. September treten Guido Westerwelle (FDP), Renate Künast (Grüne) und Gregor Gysi (Die Linke) gemeinsam auf.

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