US-Präsident Donald Trump scheint Lügen wie Sprengsätze zu nutzen. Er zündet sie und vertraut darauf, dass ihm die Explosion weniger Verletzungen zufügt als seinem Gegner. Und tatsächlich schadet ihm der Nachweis von Unwahrheiten meist bei seinen Anhängern nicht. Das haben die Jahre seiner Amtszeit gezeigt. Aber auch bei den Aussagen seines Herausforderers Joe Biden muss man genau hinsehen, auch wenn der US-Demokrat ungleich seltener die Unwahrheit sagt.
Einige der zentralen Lügen und Halbwahrheiten aus der ersten TV-Debatte zwischen Joe Biden und Donald Trump auf dem Prüfstand:
Trump über die Wahl: "Das wird ein Betrug, wie wir ihn noch nie gesehen haben"
Seit Monaten versucht Trump, die Legitimität der anstehenden Präsidentschaftswahl durch das Verbreiten von Verschwörungsmythen zu beschädigen. Zentral ist dabei seine Behauptung, die Möglichkeit per Brief zu wählen, würde zu Wahlbetrug führen. Hier aber lügt Trump offensichtlich, der selbst bereits per Brief gewählt hat. Und er übertreibt: Weit verbreiteten Wahlbetrug gibt es in den USA nicht. Das hat vergangene Woche sogar Trumps FBI-Direktor Christopher Wray betont: Historisch gesehen habe es auf nationaler Ebene keinen koordinierten Versuch des Wahlbetrugs gegeben, sagte Wray und wurde dafür aus dem Weißen Haus heftig kritisiert.
Erste Umfragen zum TV-Duell:Joe Biden vorn - aber viel Ärger über die Debatte
Ersten Umfragen nach dem TV-Duell zufolge hat Joe Biden einen besseren Eindruck gemacht als Donald Trump. Die meisten befragten Zuschauer in den USA haben sich geärgert, wie die Debatte gelaufen ist. Jeder Dritte immerhin fühlte sich davon unterhalten.
Schon bei der vergangenen Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 und auch bei den Vorwahlen in diesem Jahr wählten Millionen Amerikaner per Brief - ohne dass es zu signifikantem Wahlbetrug kam. Es gab zwar einige isolierte Vorfälle, diese fallen allerdings insgesamt nicht ins Gewicht. Auch wenn die Wahlen 2020 eine Herausforderung für die Wahlorganisation sind, da aufgrund der Corona-Pandemie besonders viele Menschen per Brief wählen werden und es durchaus sein kann, dass das Ergebnis nicht in der Wahlnacht feststeht. Die Sicherheitsvorkehrungen, die Wahlbetrug verhindern sollen, sind allerdings vielfach bewährt.
Daran ändert auch ein Vorfall nichts, der aufgrund einer ungewöhnlichen Ankündigung des Justizministeriums in der vergangenen Woche viel Aufmerksamkeit bekommen hat und den Trump im TV-Duell thematisierte: Trump sagte, es seien in Pennsylvania Stimmzettel im Müll gefunden worden, jeder Zettel mit einer Stimme für ihn. Seit Tagen behauptet seine Kampagne, der Vorfall beweise, dass die Demokraten versuchen, die Wahl "zu stehlen". Tatsächlich wurden Stimmzettel im Müll gefunden. Neun Stück. Nur auf sieben war eine Stimme für Trump vermerkt.
Trump über Biden und die Pandemie: "Er will das gesamte Land schließen"
Über den Umgang mit der Corona-Pandemie haben Trump und Biden sich während des Duells heftig gestritten. Der US-Präsident behauptete, dass Biden einen Lockdown für das gesamte Land wolle. Das stimmt nicht. Biden hatte in einem Interview erklärt, er würde zu einer solch weitreichenden Maßnahme greifen, wenn ihm Wissenschaftler dazu rieten. Er selbst ist aber klar dagegen und betonte, dass ein Lockdown aus seiner Sicht nicht nötig sei. Der Präsident selbst kann einen solchen Lockdown über das Land auch gar nicht verhängen, das wäre Sache der einzelnen Bundesstaaten.
Trump, der ungern Masken trägt und bei dessen Wahlkampfveranstaltungen immer wieder viele Menschen auf engem Raum ohne Gesichtsbedeckung zusammenkommen, behauptete außerdem, der Immunologe Anthony Fauci, wichtigster Corona-Experte des Landes, habe beim Thema Masken "seine Meinung geändert". Den Kontext ließ der Präsident dabei völlig außer Acht. Tatsächlich war Fauci zu Beginn der Pandemie zurückhaltend, was das Tragen von Masken angeht. Wie viele Experten weltweit fürchtete er, dass der Vorrat an Masken nicht ausreichen könnte, um zum Beispiel Ärzte damit zu versorgen. Außerdem, so Fauci, habe sich erst im Laufe der Zeit herausgestellt, wie genau das Virus übertragen wird. Jetzt sei aber klar, wie "überwältigend wichtig" das Tragen von Masken sei. In seine vermeintliche Meinungsänderung etwas hineinzugeheimnissen, wie Trump das tut, bezeichnete Fauci als "Unsinn".
Biden: Trump werde "der erste Präsident in der Geschichte Amerikas" sein, der Jobs während seiner Präsidentschaft verliert
Das ist falsch. Als Herbert Hoover das Amt des US-Präsidenten im Jahr 1933, in Zeiten der Weltwirtschaftskrise, verließ, gab es in den USA weniger Jobs als zu Beginn seiner Amtszeit. Das beruht allerdings auf einer Schätzung. Die Regierungsdaten reichen nur bis ins Jahr 1939 zurück. Betrachtet man ausschließlich den Zeitraum, für den es offizielle Zahlen gibt, dann hat tatsächlich seither kein Präsident das Weiße Haus verlassen, ohne dass während seiner Amtszeit Jobs geschaffen worden sind. Sollte Trump verlieren, wäre es wohl so weit. Das läge vor allem am Coronavirus. Trump wird von Biden immer wieder für seinen Umgang mit der Pandemie kritisiert. Während des Lockdowns in den USA im Frühjahr meldeten sich 22 Millionen Amerikaner arbeitslos. Seither hat sich der Arbeitsmarkt allerdings erholt.
Trump: "Die Frau des Moskauer Bürgermeisters hat Ihrem Sohn 3,5 Millionen Dollar gegeben"
Immer wieder attackierte Trump während des Duells Hunter Biden, den Sohn seines Herausforderers. Die Angriffe basieren auf einem Report, den die Republikaner im Senat veröffentlicht hatten. Die Vorwürfe, die darin erhoben wurden, sind unbewiesen: Ein in enger Verbindung zu Hunter Biden stehendes Investmentunternehmen soll 3,5 Millionen Dollar von Jelena Baturina, vermögende Witwe des ehemaligen Moskauer Bürgermeisters Jurij Luschkow, erhalten haben. Weder der Report noch Trump selbst lieferten allerdings Beweise für ein Fehlverhalten. Hunter Bidens Anwalt erklärte, sein Mandant habe keine geschäftlichen Interessen in Verbindung mit der Investmentfirma und sei auch nicht ihr Mitgründer. Die Behauptung, Hunter Biden habe 3,5 Millionen Dollar erhalten, sei deshalb falsch.
Allerdings hatte Hunter Bidens Geschäftstätigkeit in der Zeit, in der sein Vater Vizepräsident unter Barack Obama war, wegen möglicher Interessenkonflikte immer wieder für Diskussionen gesorgt. Im Jahr 2015 äußerten Mitglieder der Obama-Regierung diesbezüglich Bedenken.
Trump: Habe "Millionen Dollar" an Steuern gezahlt
Kurz vor dem Duell veröffentlichte Biden seine Steuererklärungen. Und erhöhte damit den Druck auf Trump, der das bis heute verweigert. Während des TV-Duells behauptete Trump, er habe 2016 und 2017 "Millionen von Dollar" an Einkommensteuer auf Bundesebene gezahlt. Die New York Times berichtete hingegen im Vorfeld, dass Trump auf Bundesebene in diesen Jahren jeweils lediglich 750 Dollar bezahlt hat. Laut der Zeitung, die nach eigenen Angaben Steuererklärungen Trumps und Hunderter seiner Firmen aus mehr als zwei Jahrzehnten auswerten konnte, hat Trump Abschreibungen und Gutschriften unter anderem wegen hoher Verluste geltend machen können.
Biden über Richterin Amy Coney Barrett: "Sie glaubt, dass der Affordable Care Act verfassungswidrig ist"
Amy Coney Barrett wurde gerade von Trump für das höchste Gericht der USA, den Supreme Court, als Nachfolgerin für die verstorbene Richterin Ruth Bader Ginsburg nominiert. Tatsächlich hat sich Coney Barrett kritisch dazu geäußert, dass der Supreme Court in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 das Gesetz zur Gesundheitsreform, das unter Barack Obama verabschiedet wurde, bestätigt hatte. Coney Barrett hat allerdings nie behauptet, dass der Affordable Care Act verfassungswidrig ist.