TV-Duell in Kiel: Carstensen vs. Stegner:Rambo schlägt Rohrspatz

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Showdown in Kiel: Beim TV-Duell zwischen dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Carstensen von der CDU und seinem SPD-Herausforderer Stegner fliegen wie erwartet die Fetzen.

Wolfgang Jaschensky

"Kleines rundes Nichts", "Kotzbrocken": Genüsslich zitiert NDR-Moderator Andreas Cichowicz gleich zum Auftakt des TV-Duells die Schmähungen, die die beiden Kontrahenten im Kampf um das Amt des Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein in den vergangenen Wochen übereinander ausgeschüttet haben.

Einig in gegenseitiger Abneigung: SPD-Landeschef Stegner und CDU-Ministerpräsident Carstensen (Foto: Foto: ddp)

Dann folgt die Frage: "Wollen Sie hier und heute diese Chance nutzen und das Kriegsbeil begraben?" Ministerpräsident und Christdemokrat Peter-Harry Carstensen und sein sozialdemokratischer Herausforderer Ralf Stegner geben sich alle Mühe, dies zu bejahen.

Der Friede hält genau bis zur nächsten Frage.

Da erklärt Sozialdemokrat Stegner, er sei es gewohnt, dass gegen ihn ein "Anti-Personen-Wahlkampf" geführt werde. Christdemokrat Carstensen fällt ihm prompt ins Wort und unterbricht sein Gegenüber hartnäckig.

Der Moderator lakonisch: "Das hat ja gut geklappt."

Die ersten Minuten sind symptomatisch für die einstündige Sendung. Dass die beiden Politiker, die im Laufe der vier Jahre währenden großen Koalition eine tiefe Abneigung gegeneinander entwickelt haben, sich auch im TV-Duell einen harten Schlagabtausch liefern würden, wird erwartet.

Dass die Zuschauer nach dem Bruch der Koalition vor zwei Monaten kein kontrastarmes Duett à la Merkel/Steinmeier zu sehen bekommen, wird allgemein erhofft.

Überraschend ist allerdings, dass der als jovial geltende Landesvater Carstensen aggressiver auftritt als der vermeintliche rote Rambo Stegner. Wiederholt bezichtigt Carstensen seinen Rivalen, die Unwahrheit zu sagen. Stegner lächelt solche Angriffe gelassen weg. Er sei es gewohnt, dass die CDU sich an ihm abarbeite.

Wenn der Sozialdemokrat seine Vorwürfe vorträgt, klingt das meist sanfter. Zum Beispiel so: "Lieber Herr Carstensen: Jeder zweite Satz von Ihnen lautet. 'Der Stegner ist schuld.' Wollen wir nicht einmal über die Zukunft reden?" Carstensens Reaktionen gleichen dann häufig denen eines schimpfenden Rohrspatzes.

Stegners Arbeit am Image

Dass der Konservative in diesen Wochen Nerven zeigt, hat wohl auch demoskopische Gründe. Seit dem Ende der Koalition fällt seine CDU in den Umfragewerten, die Beliebtheit des Ministerpräsidenten sinkt - und die von Carstensen angestrebte Mehrheit für Schwarz-Gelb ist fünf Tage vor der Landtagswahl in ernsthafter Gefahr.

Stegner hingegen arbeitet fleißig daran, sein Image abzuschütteln, ein verkopfter, unnahbarer und ruppiger Politiker zu sein. Seine Bemühungen schlagen sich in den Umfragen positiv nieder. Beim TV-Duell verzichtet er auf seine obligatorische Fliege. In beigem Anzug und offenem Hemd wirkt der SPD-Landeschef lockerer als bei früheren Auftritten.

Das bemerkt auch Carstensen - und versucht Stegners Charme-Offensive während der Sendung als kalkulierte Show zu entlarven. Der Amtsinhaber verweist auf ein Smiley, das Stegner auf seine Unterlagen gezeichnet hatte. Smart formuliert kann so eine spontane Bemerkung ein Treffer sein. Stattdessen bollert Carstensen: "Wenn man sich einen Zettel hinlegen muss, damit man manchmal lächelt, dann ist das etwas, was mir abgeht." Chance verpasst.

Neben solchem Geplänkel liefern sich die Kontrahenten auch inhaltlich einen harten Schlagabtausch.

Problem Schuldenberg

Erstes Thema ist der Haushalt: Bei einem Jahresetat von neun Milliarden Euro drückt Deutschlands nördlichstes Bundesland ein Schuldenberg von mehr als 25 Milliarden Euro.

Die Wähler trauen, wie eine Erhebung von Infratest dimap zeigte, eher der CDU als der SPD zu, die Verschuldung in den Griff zu bekommen. Im TV-Duell kann Carstensen diesen Vertrauensvorschuss aber nicht rechtfertigen.

"Wir müssen sparen und wir brauchen Wirtschaftswachstum", entgegnet der Ministerpräsident auf die Frage, wie er denn das Land vor der Pleite bewahren wolle. Zum Sparen fällt Carstensen dann aber nicht viel ein. Er verweist auf bereits beschlossene Personalkürzungen in der Verwaltung. Außerdem habe er die Absicht, den Haushalt zu "durchforsten". Das hätte der studierte Landwirt eigentlich schon vorher machen müssen.

Landtagswahl in Schleswig-Holstein
:Wer tritt an im Norden?

Menschen im Norden seien kühl und nüchtern, heißt es. Im aktuellen Wahlkampf geht es aber heiß her. Die Spitzenkandidaten von CDU und SPD lassen kein gutes Haar am Anderen. Wir zeigen, wer in Schleswig-Holstein antritt.

Stegner gelingt es zwar nicht, glaubhaft zu erklären, wie er Schleswig-Holstein vor dem Bankrott bewahren möchte, er legt in seiner Antwort aber das Fundament für seine Kernbotschaft, die er im Laufe der Sendung gebetsmühlenartig wiederholt: Das Versprechen von Schwarz-Gelb, in diesen schwierigen Zeiten Steuern zu senken, sei falsch, es sei nicht einzuhalten.

Bei der Debatte um die angeschlagene HSH Nordbank beschränken sich Carstensen und Stegner wieder überwiegend auf gegenseitige Schuldzuweisungen. Inhaltliche Erkenntnis: Während Stegner im Falle eines Wahlsieges den umstrittenen HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher vor die Tür setzen möchte, will Carstensen an dem Banker festhalten.

Wenig ergiebig verläuft die Diskussion über das Thema Wirtschaft und Arbeit. Stegner ergeht sich in Sozialromantik, fordert Mindestlöhne, bessere Bezahlung für Pflegekräfte sowie gleiche Bezahlung für Frauen. Der Harvard-Absolvent erklärt, dass Werften mit dem Bau von Offshorewindparks in eine goldene Zukunft blicken könnten, ließe man ihn in die Kieler Staatskanzlei.

Und Carstensen? Der Amtsinhaber verzichtet gleich vollständig darauf, zu erklären wie er die Wirtschaft in Gang bringen und Arbeitsplätze schaffen möchte.

Gehaltvoller sind die Äußerungen zur Bildungspolitik. Da die Streithähne in ihrer Koalition immerhin die umfassendste Schulreform der vergangenen Jahrzehnte eingeleitet haben, hätte man hier ein wenig Harmonie erwarten dürfen - weit gefehlt. Vom Kleinkind in der Krippe über Schulkinder bis zum Studenten treten die Unterschiede in den Konzepten der Kontrahenten deutlich hervor. Wiederkehrendes Muster: Stegner verspricht fleißig Investitionen, Carstensen hält dagegen: "Sie laufen mit einem Füllhorn durchs Land und versprechen, versprechen, versprechen."

Nächstes Thema: Energie: Da mit Krümmel und Brunsbüttel zwei der berüchtigsten Pannenreaktoren der Republik in Schleswig-Holstein stehen, hat auf diesem Feld Stegner als Vertreter einer Atomausstiegspartei großes Punkte-Potential. Doch Carstensen versteht es durchaus geschickt, sich als Förderer regenerativer Energie zu inszenieren, ohne in Sachfragen von der Linie seiner Partei abzuweichen, die eine Verlängerung der Laufzeiten einzelner Meiler vorsieht.

Am Ende nehmen Carstensen und der Moderator den SPD-Politiker Stegner in die Zange: Der aufmerksame Fernsehmann Cichowicz und der aufgedrehte Ministerpräsident Carstensen versuchen, den Kandidaten auf eine Aussage zu einer möglichen Koalition mit der Linken festzunageln.

Stegner vermeidet es zwar ausdauernd, den Namen Linkspartei überhaupt in den Mund zu nehmen. Doch auch so kann er nicht verhindern, dass den Zuschauern klarwerden muss: Im Zweifel würde er zumindest eine Minderheitsregierung unter Duldung der Linken anstreben um Ministerpräsident zu werden.

Es ist einer der raren Minuten dieses TV-Duells, in denen Carstensen irgendwie besser als Stegner dasteht. Vielleicht genügt die Aussicht auf eine rot-rote Kooperation, die Wechselwähler auf dem platten Land zurück in die Arme der CDU zu treiben.

Carstensen alleine wird es wohl nicht schaffen.

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