Süddeutsche Zeitung

TV-Duell in Berlin:Roter Buddha, grüne Friedenstaube

Freundschaftsanfrage statt TV-Duell: Renate Künast und Klaus Wowereit beharken sich keine zehn Minuten, da präsentiert die grüne Spitzenkandidatin die große Überraschung. Sie legt sich in der Koalitionsfrage fest. Selbst der Regierende Bürgermeister Wowereit wirkt für einen Moment sprachlos - was aber nicht an den zahmen Moderatoren liegt. Wie Berliner Grüne und Sozialdemokraten das TV-Duell erlebten. Ein Ortsbesuch.

Thorsten Denkler, Berlin

Im Parkcafé im biederen Berliner Stadtteil Wilmersdorf treffen sich die Wowi-Anhänger zum Duell gucken: orangefarbene Wände, dunkle Lounge-Sofas, verglaste Fensterfronten. Über der Tür zur Küche thront ein riesiger, grinsender Buddha. Seine Gesichtszüge ähneln wahrscheinlich nur zufällig denen von Klaus Wowereit.

Am Ende des Raums steht: ein Fernseher. Ein einziger Fernseher in diesem tennishallengroßen Café. Soundanlage? Fehlanzeige. Als das Duell anfängt, müssen die Wowereit-Anhänger die Sofas zusammenrücken. Es ist ein bisschen so wie beim Fernsehabend zu Hause, wenn sich der komplette 20-köpfige Freundeskreis vor Sex and the City versammelt.

Ortswechsel: Brauhaus Süd in Kreuzberg. Klar, wo sonst sollten sich die Grünen treffen zum Public Viewing. Renate vs. Wowi. Irgendwie nett, dass sie den Regierenden Bürgermeister mit seinem Spitznamen ansprechen. Von dem ist nur erst mal nichts zu sehen in der Großkneipe am Volkspark Hasenheide mit der niedrigen Decke und den Backsteinwänden. Kein Bild, kein Ton auf der Großbildleinwand. Immerhin, die Grünen haben dran gedacht, dass alle was sehen und hören wollen und nicht nur einen Fernseher aufgestellt.

Die ersten drei Minuten verpassen die Künast-, Verzeihung, die Renate-Fans vom TV-Duell im RBB. Dann endlich ist alles da: Bild, Ton, Wowi und die grüne Spitzenfrau, die einst angetreten war, Regierungschefin in Berlin zu werden. War? Ja, war.

Künast: "Keine Koalition mit der CDU"

Das Rededuell dauert noch keine zehn Minuten, da packt Künast ihre größte Überraschung aus: Sie legt sich fest in der Koalitionsfrage. Der Satz des Abends: "Ich werde meiner Partei nicht vorschlagen, eine Koalition mit der CDU einzugehen." Also auch dann nicht, wenn sie am 18. September vor der Christenpartei landen sollte. Regierende Bürgermeisterin wird sie so nicht, dafür sind die Sozialdemokraten zu stark. Mit den Linken wird es auch nicht reichen.

Renate Künast wirkt irgendwie anders, sehr milde. Was sie sagt, klingt wie ein Friedensangebot. Denn die Spitzenkandidatin hatte sich in den vergangenen Monaten stets die Option mit der CDU offengelassen, um möglicherweise doch noch ins Rote Rathaus in Berlin einziehen zu können.

Jetzt muss sich nur noch Wowereit erklären. Aber der drückt sich. Künasts Festlegung scheint ihn etwas überrascht zu haben, für einen kleinen Moment wirkt er sprachlos. Zur Koalitionsfrage kommt von ihm nüschte, wie der Berliner sagt. Erst ganz am Ende der Sendung setzt Künast nach und nutzt ihr Schlusswort, um Wowereit noch mal zu fragen, mit wem er denn nun regieren will?

Ausweichen geht jetzt nicht mehr. Also gut: Er koaliere mit der Partei, mit der sich am meisten soziale Gerechtigkeit herstellen lasse, antwortet er mit präsidialer Miene. Mit der CDU könne er sich das nur "ganz schwer" vorstellen. Schnittmengen sehe er zu den Grünen und den Linken.

Das ist gut für Künasts Grüne. Denn ob Wowereit rechnerisch mit seinem rot-roten Senat weitermachen kann, ist gerade mehr als fraglich. Und dann blieben nur die Grünen.

Aber war es das, was Grünen-Landeschefin Bettina Jarasch meinte, als sie - sozusagen um die Stimmung der geschätzt vier Dutzend Künast-Anhänger am Volkspark Hasenheide anzuheizen - fordert, dass Wowereit "endlich mal sagt, was er der Stadt eigentlich zu bieten hat außer seinem Konterfei!"? Dazu muss erklärt werden: Die SPD hat die Stadt mit schwarz-weißen Wowereit-Großporträts zugepflastert. Einzige inhaltliche Botschaft neben der, dass er darauf sehr lieb guckt: keine. Ach doch: Unten links prangt das Logo der SPD.

Den Wowi-Anhängern im Parkcafé reicht das jedenfalls, um sich entspannt zurückzulehnen. Die Stimmung lässt sich so in Worte fassen: Der Wowi wird's schon machen.

Es braucht nicht viel, um die Sozen im Parkcafé in Wallung zu bringen. Wowereit wundert sich, dass die Grünen sich beschweren, dass sich nur 270.000 Wohnungen in städtischem Eigentum befänden. Und holt zum beklatschten Gegenschlag aus: "Vor ein paar Jahren haben sie noch gefordert, die zu verkaufen!" Ein paar weißbärtige SPD-Haudegen lachen dröhnend.

Später lästert Wowereit über die Baden-Württemberger, die den Berlinern vorschreiben wollen, wie sie ihre Schulen zu finanzieren haben. Dabei kämen, sagt Wowereit, die Studenten aus Bayern und Baden-Württemberg nach Berlin, "weil wir nicht wollen, dass der Geldbeutel bestimmt, wer studiert". Zum zweiten Mal Applaus. Schwer scheint es nicht zu sein, hier Beifall zu bekommen. Nur: mehr als zweimal hat es Wowereit nicht hinbekommen. Aber das muss nichts heißen.

An der Aufgabe, inhaltlich mehr aus Wowereit herauszuholen, scheiterten im Berlin-Duell auf grandiose Weise beide Moderatoren. Der RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle war wenigstens noch anzumerken, dass sie einst eine journalistische Grundausbildung genossen hat. Von Chefredakteur Christoph Singelnstein kann das nur mit Mühe behauptet werden. Beide hatten mehr damit zu tun, die Zeit im Blick zu halten, als die beiden Gäste mit fiesen Fragen in Bedrängnis zu bringen.

Singelnstein zeigte sich gar persönlich erleichtert, dass die am Morgen gefassten mutmaßlichen Terroristen ihre Pläne nicht umsetzen konnten. Später forderte er Künast auf, doch bitte "als Erster" eine Zahl zu wählen, hinter der sich ein spezifisches Kiezproblem verstecken sollte. Bei den durchquotierten Grünen in Kreuzberg sorgt das für nachhaltige Lacher. Ein schöneres Zeugnis für den akuten Fachkräftemangel bei RBB-Moderatoren konnte er gar nicht liefern.

So kommt Künast mit Sätzen durch wie: "Hut ab vor der Berliner Polizei!" Und Wowereit kann sich über "bewundernswerte" Initiativen zum Thema "Schöner wohnen in Marzahn" auslassen.

Nicht mal Künasts Koalitionsbekenntnis ist auf Fragen des Moderatoren-Duos zurückzuführen. Das war Wowereit selbst, der Künast da wegen ihrer Haltung zum Bau der Stadtautobahn A 100 festnageln wollte. Es war vorher nicht so ganz klar, ob die Grünen überhaupt mit einer Partei koalieren wollen, die die A 100 will.

Der Wowi macht's schon, sogar wenn die Moderatoren versagen.

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