TV-Dreikampf:Trittin, Brüderle und Gysi streiten über Mindestlohn und Rente

Es ist der Dreikampf der kleinen Parteien, die immerhin 25 Prozent der Wählerstimmen ausmachen. Brüderle gegen Trittin gegen Gysi. Es ist eine energisch geführte Diskussion - und es geht vor allem ums Geld.

Schon beim TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück ging es vor allem ums Finanzielle. Vielleicht deshalb, weil es am Ende das Thema ist, was die Wähler am meisten bewegt. Auch beim kleinen Duell, was ja kein Duell ist, weil drei Politiker gegeneinander antreten, nimmt der Komplex "Geld" einen großen Spielraum ein.

Jürgen Trittin (Grüne), Rainer Brüderle (FDP) und Gregor Gysi (Linke) treten gegeneinander an. Sie stehen für die sogenannten kleinen Parteien, deswegen steht ihre Diskussion im Schatten des großen Duells vom Sonntag. Doch die kleinen Parteien sind inzwischen gar nicht mehr so klein. Zusammen vereinigen sie - jedenfalls aktuellen Umfragen zufolge - etwa 25 Prozent aller Wählerstimmen. Der alte Schröder-Spruch von 1998 vom Koch und Kellner in einer rot-grünen Koalition, Steinbrück kann ihn im Jahr 2013 Trittin gegenüber wohl kaum noch bringen. Die potentiellen Kellner für die beiden großen King-of-Kotelett-Köche SPD und Union, sie sind inzwischen ziemlich selbstbewusst geworden.

Das zeigt sich auch in dieser Diskussion. Es ist ein Dreikampf, in dem es ziemlich zur Sache geht. Oft reden die drei Kontrahenten wild durcheinander, mehrmals müssen die beiden Moderatoren Siegmund Gottlieb (BR) und Jörg Schönenborn (WDR) einschreiten. Gottlieb tut das gerne auch mit Fragen, die zuweilen eher an politische Botschaften erinnern. Als es um die Steuerpläne der Grünen geht, greift Trittin seinen FDP-Kollegen Brüderle frontal an: "Herr Brüderle, Sie lügen."

Zu Beginn ist es vor allem ein Streitgespräch über den Mindestlohn. Für Trittin und Gysi ist er ein Instrument, um den Niedriglohnsektor und Minijobs zurückzudrängen. Der Grünen-Fraktionschef weist darauf hin, dass auch in anderen europäischen Staaten wie Großbritannien und den Niederlanden längst gesetzliche Mindestlöhne beschlossen seien. Dagegen gebe es in Deutschland nach wie vor Friseure, "die für 4,50 Euro die Haare schneiden". Zugleich werde vom Staat Geld ausgegeben, um Niedrigverdienern den Lohn aufzustocken. Durch Mindestlöhne ließen sich daher vier Milliarden Euro an Lohnsubventionen für diese "Aufstocker" einsparen.

Gysi beziffert den Anteil der Menschen mit Niedriglöhnen auf 25 Prozent. "Die Würde des Menschen verlangt, dass sie in Vollzeitarbeit einen Lohn bekommen, von dem sie leben können", sagt der Linken-Fraktionschef. Wirtschaftsprobleme dürften nicht über den Ausbau der prekären Beschäftigung gelöst werden.

Brüderle und die Kehrmaschine

Für Brüderle ist der Mindestlohn dagegen ein "Jobkiller", seiner Meinung nach ist "ein einheitlicher flächendeckender Mindestlohn über alle Regionen" falsch. Es gebe regional unterschiedliche Lebenserhaltungskosten und auch die Lage in den verschiedenen Branchen sei unterschiedlich. Zudem warnt Brüderle vor dem Verlust von Arbeitsplätzen durch Mindestlöhne: "Wenn die Kehrmaschine billiger ist, dann haben die Menschen den Job nicht."

Auch die Rentenpolitik, die Staatsverschuldung und die Euro-Schuldenkrise werden im Dreikampf thematisiert. Ein Muster, das dabei immer wieder auftaucht: Trittin und Gysi sehen die soziale Balance im Land gefährdet: "Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist gut, die Lage für viele Menschen ist nicht gut", sagt Trittin. Auch Gysi fordert ein Umsteuern. Deutschland sei das Land mit dem größten Niedriglohnsektor in Europa, noch vor Zypern und Griechenland.

Brüderle kontert: "Man kann natürlich alles schlecht reden." Die Bundesrepublik stehe wirtschaftlich gut da, allein die Arbeitslosigkeit sei während der Zeit der schwarz-gelben Regierung von fünf auf drei Millionen gesunken, so der FDP-Spitzenkandidat. Außerdem hält Brüderle Gysi vor, eine Einheitsrente zu fordern. "Das ist Planwirtschaft perfekt, das führt in die Irre", so der FDP-Politiker.

Gysi will eine generelle Rentenreform. Etwa 40 Prozent der Menschen seien nicht abhängig beschäftigt und zahlten deshalb nicht in die Rentenkasse ein. Von der beschlossenen Rente mit 67 müsse wieder zu einem Rentenbeginn mit 65 Jahren zurückgekehrt werden. Trittin plädierte dafür, das Rentenniveau durch höhere Einkommen zu stabilisieren.

Der Grünen-Spitzenkandidat verteidigt dann die von seiner Partei im Falle eines Wahlsieges geplanten Steuererhöhungen. Beim Grünen-Konzept würden durch eine Anhebung des Grundfreibetrags 90 Prozent der Einkommensbezieher mehr Netto vom Brutto haben, sagte Trittin. Um das zu bezahlen, werde der Spitzensteuersatz für etwa fünf bis sieben Prozent der Topverdiener angehoben.

FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle zweifelt diese Rechnung an: "Ich möchte die Märchenstunde beenden." Die grünen Steuerpläne belasteten die Mitte der Gesellschaft, etwa durch eine Besteuerung von Vermögen mittelständischer Betriebe.

Trittin und Brüderle streiten am Beispiel Griechenland dann noch ein bisschen darüber, wer den Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes richtig verstanden hat, der vor zu exzessivem Sparen in der Krise gewarnt hat. Moderator Schönenborn schafft mit einem Speiseeis-Vergleich eine lustige Überleitung zur Strompreis-Debatte und am Ende steht die Erkenntnis, dass 60 Minuten Dreikampf ein bisschen kurz waren, für drei Kandidaten, die am 22. September etwa ein Viertel der Wähler repräsentieren.

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