Rheinland-Pfalz:TV-Boykott ist keine Lösung - und Klöckner hat das erkannt

Klausurtagung CDU-Bundesvorstand in Mainz

Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner kritisiert den "inszenierten Regierungstalk", bei dem die AfD, aber auch die FDP ausgeschlossen sind.

(Foto: dpa)

Der Ausschluss aus den TV-Debatten im SWR lässt die AfD größer erscheinen, als sie ist. Die etablierten Parteien müssen lernen, mit dem Neuling umzugehen. Die CDU-Kandidatin setzte heute ein Zeichen.

Kommentar von Jens Schneider, Berlin

Das Versprechen klingt stolz und selbstbewusst: Gegen rechts zeigen Demokraten Gesicht. Großspurig dröhnt diese Kampfansage aus der politischen Mitte und von links mit Blick auf jenes eigentümlich rechtspopulistische Gemisch namens AfD, das gerade in Umfragen Rekordergebnisse erzielt. Und wie sieht Gesicht zeigen aus?

Man duckt sich weg. Das ist die Botschaft aus dem Südwesten Deutschlands, wo ausgerechnet zwei im Auftreten besonders sichere und mit persönlicher Autorität ausgestattete Politiker sich der Konfrontation verweigern. Die Ministerpräsidenten Malu Dreyer (SPD) und Winfried Kretschmann (Grüne) wollten an Fernseh-Debatten nicht teilnehmen, wenn die AfD dabei wäre. Also wird die vom öffentlich-rechtlichen Sender ausgeschlossen.

Das eine ist so erbärmlich wie das andere: Der Sender reagiert folgsam auf die Feigheit der Politiker. Es lässt sich schwer sagen, wem der hilflose Akt mehr schadet. Mit sicherem Gespür hat Julia Klöckner, die christdemokratische Herausforderin von Malu Dreyer, das erkannt und jetzt ein Zeichen gesetzt.

Klöckner will nach diesem Vorspiel an der Runde ohne die AfD - und vor allem auch ohne die ja ebenfalls ausgeschlossene FDP, ihrem Wunschpartner für die erhoffte gemeinsame Regierung - nicht teilnehmen. Das ist ein außergewöhnlicher Schritt von seltener Deutlichkeit, der ihr nutzen mag. Langfristig sollte er aber vor allem dazu verhelfen, dass die etablierten Parteien der Mitte endlich zu einem angemessenen Umgang mit der unangenehmen und für sie gefährlichen AfD finden. Zu einem Umgang, der dieser Partei entschieden, aber direkt begegnet.

Die AfD ist erst einmal der große Gewinner der Verweigerungshaltung der Ministerpräsidenten und der SWR-Entscheidung. Die Partei beklagt sich nun öffentlich über diesen Ausschluss, selbstverständlich, und wird sich doch ausgiebig freuen. Er dürfte ihr mehr bringen als jede Teilnahme ihrer dann doch nicht sehr beeindruckenden Kandidaten.

Wie kann man der AfD diesen Gefallen tun?

Der ganze Vorgang ist ein Geschenk für die Partei. Er bedient genau das Gefühl, das sie erst so stark gemacht hat. Die Partei wird nicht gewählt, weil ihre Sprecher so überzeugend wären, im Gegenteil. Sie verfügt nur über einen kleinen Kreis von Akteuren, die überhaupt passabel auftreten können. Ihr Erfolg hat nichts mit ihren Inhalten zu tun, aber viel mit Sorgen und Unmut, Ressentiments und Ängsten. Die AfD lebt von der Behauptung, unbequeme Wahrheiten auszusprechen, die von den etablierten Parteien und den Medien unterdrückt würden.

Dieses Lebensgefühl macht den Kern der AfD aus. Es war ihr Gründungsimpuls, als es gegen den Euro ging. Seit Beginn des Zustroms von Flüchtlingen profitiert sie erst recht von der Behauptung, dass Regierende und Medien die Realität ausblenden. Auch wenn das eine groteske Wahrnehmung ist: Wie kann man ihr da den Gefallen tun, sie auszuschließen?

Was die Parteien im Umgang mit der AfD versäumt haben

Seit der Gründung der AfD versäumten es die Parteien der Mitte, eine kluge Gegen-Strategie zu entwickeln. Meist beschränken sie sich darauf, die AfD aus sicherer Entfernung als rechtsaußen zu geißeln, um sie zu isolieren. Früher mag dieser Ansatz vor dem Hintergrund deutscher Geschichte geholfen haben, um die Wirkung solcher Parteien ein wenig einzudämmen.

In der aktuellen Stimmungslage hilft das immer weniger. Der Ansatz verpufft, solange die Partei möglichst ein bürgerliches Gesicht wahrt. Derzeit halten sich die übelsten Gesellen mit Rücksicht auf den Wahlkampf zurück. Der Ansatz verfängt auch deshalb nicht, weil bei vielen Bürgern die Distanz zu den etablierten Parteien zu groß geworden ist, um sich die Welt von oben ordnen zu lassen. Der Ansatz ist auch nutzlos. Die AfD findet ihr Forum etwa im Internet über ihre oft fanatischen Unterstützer - und da kann niemand Parolen und wirren Thesen etwas entgegensetzen.

Begrenztheit der AfD offenlegen

Und der Ansatz ist kontraproduktiv, weil er die AfD größer erscheinen lässt, als sie es ist. Sie ist ein Symptom, aber sie hat keine Lösungen, gerade in der Flüchtlingsfrage. Das gehört ans Licht. Wer der AfD - zu Recht - vorwirft, auf schlichte Parolen zu setzen, muss sie im Dialog entlarven.

Das ist kein einfacher Job. Politik war schon mal leichter. Es ist für keinen Regierenden leicht zu erklären, warum viel von Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber die Rede ist, das in der Praxis aber schwierig und langsam geht - so wie die Bearbeitung von Asylverfahren. Es kostet Mühe, klarzumachen, warum man nicht einfach die Grenzen schließen kann, wie die AfD es fordert.

Allein diese Mühen sind das Mittel, um Unmut und Sorgen von Bürgern zu begegnen. Sie werden nicht alle überzeugen. Sie werden die AfD nicht aus der Welt schaffen. Aber die Antwort liegt in der Konfrontation - indem man ihre Sprecher stellt und ihre Begrenztheit offenlegt. Das heißt Gesicht zeigen.

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