TV-Debatte vor der Frankreich-Stichwahl:Le Pen und Macron auf brutalem Konfrontationskurs

  • Wenige Tage vor der entscheidenden Stichwahl am kommenden Sonntag sind Emmanuel Macron und Marine Le Pen im TV-Duell aufeinandergetroffen.
  • Der Ton ist so aggressiv wie im ganzen bisherigen französischen Wahlkampf noch nicht.
  • Zweieinhalb Stunden lang streiten sie über Themen wie Europa, Sicherheit, Einwanderung und die Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Von Leila Al-Serori

Am Anfang lächelt sie besonders süffisant. Marine Le Pen erhält als Erste das Wort und nutzt die beste Sendezeit, um strahlend ihr Wahlkampfmantra zu wiederholen: "Ich bin die Kandidatin des Volkes. Monsieur Macron hingegen ist der Kandidat der ungezügelten Globalisierung, ein Vertreter des Krieges von jedem gegen jeden."

Ihr Kontrahent zieht die Augenbrauen hoch, rollt mit den Augen, verschränkt die Arme. Dann geht Emmanuel Macron zum Angriff über.

Wenige Tage vor der entscheidenden Stichwahl am kommenden Sonntag treten der parteilose Pro-Europäer und die rechtspopulistische EU-Gegnerin Le Pen im ersten und einzigen TV-Duell gegeneinander an. Umfragen zufolge ist Ex-Wirtschaftsminister Macron der Favorit im Rennen: Er liegt derzeit bei etwa 60 Prozent. Experten halten einen Sieg der Front-National-Kandidatin Le Pen für unwahrscheinlich - aber nicht für ausgeschlossen. 15 Prozent der Wahlberechtigten seien noch unentschieden, so die Schätzungen.

Es sind vor allem diese Unentschlossenen, um die Macron und Le Pen jetzt buhlen. Dementsprechend konfrontationsbereit zeigen sie sich in diesem Duell, und das gleich von der ersten Minute an."Madame Le Pen, Sie sind auf alle Fälle keine Kandidatin mit Feingefühl", feuert Macron ihr entgegen. Und er betont, dass sie die "echte Erbin der Rechtsextremen in Frankreich" sei.

"Sie haben nur Ihr Mundwerk, keine Pläne"

Le Pen bemüht sich seit Jahren um ein gemäßigtes Image ihres Front National, um mögliche Wähler aus der politischen Mitte nicht zu verschrecken. Kurz vergeht ihr das Lächeln, aber nur für einen Moment.

Wenn Macron kurz darauf von den wirtschaftlichen Problemen Frankreichs und der Arbeitslosigkeit spricht, hält sie ihm mit einem spöttischen Grinsen vor, er sei doch Wirtschaftsminister gewesen, habe doch zu der jetzigen Situation beigetragen. "Sie denken nicht an das Wohl der Nation", wirft sie ihm vor. Der 39-Jährige lässt das nicht auf sich sitzen: "Und was schlagen Sie konkret vor? Nichts. Sie haben nur Ihr Mundwerk, keine Pläne."

Zweieinhalb Stunden geht es ohne Pause um Themen wie Europa, Sicherheit, Einwanderung, die Wirtschafts- und Sozialpolitik der beiden. Überall vertreten die Präsidentschaftsanwärter gegensätzliche Positionen, die sie sich nun gegenseitig an den Kopf werfen.

"So oder so wird Frankreich künftig von einer Frau regiert"

Le Pen will den Euro verlassen und ein EU-Referendum einleiten, Macron hingegen wirbt für eine Annäherung der europäischen Regierungen. Sie will französische Unternehmen mit Protektionismus vor ausländischer Konkurrenz schützen, er wirbt für ein liberales Wirtschaftsmodell und Entlassungen im öffentlichen Dienst.

Beide beschuldigen sich der Lüge, maßregeln sich gegenseitig, nennen die Aussagen des Gegenübers "dumm". Pausenlos drehen sich die beiden Kandidaten zwischen Angriff und Verteidigung im Kreis. Die beiden Moderatoren haben sichtlich Mühe mit den schnellen Attacken mitzukommen, sie sind lediglich die Stichwortgeber für die Streitthemen der zwei.

"Madame Le Pen, Sie sind die Kandidatin der Niederlage. Sie tun so, als ob Frankreich die heutigen Probleme nicht überwinden könnte", ereifert sich Macron und zählt die Erfolge des Landes auf. Er redet sich in Rage, zerlegt aber durchaus sachlich ihre Aussagen. Le Pen lässt sich in ihren Provokationen nicht beirren.

"Sie gehen zu Angela Merkel und fragen um Rat", hält sie ihm vor, den sie schon öfter als Marionette Deutschlands abstempeln wollte. Dieser erwidert, Frankreich stünde besser als Partner und nicht als Gegner Deutschlands da. Marine Le Pen hat wohl nur darauf gewartet und sagt: "So oder so wird Frankreich künftig von einer Frau regiert: von mir oder Madame Merkel."

Nach Stunden ununterbrochenen Streits wird es gegen Ende doch noch ein wenig ruhiger. Neue Details zu den Wahlprogrammen der beiden bringt die Debatte allerdings kaum. Dafür die Erkenntnis: Beide haben für das letzte Fernsehduell all ihre Geschütze aufgefahren, der Ton ist brutal wie im ganzen Wahlkampf noch nicht.

Betont präsidiabel, aber auch ein wenig arrogant

Emmanuel Macron, obwohl er der Favorit des Rennens ist, weiß, dass er viele Skeptiker überzeugen muss. Er zeigt sich betont präsidiabel, selbstbewusst, allerdings auch ein wenig arrogant. Er kann Le Pen in den Wortgefechten das Wasser reichen und lässt sich nicht von ihr provozieren.

Sie ist gewohnt übergriffig, spöttisch, wirkt gelassener als er, aber dafür wenig staatstragend. Le Pen verkörpert auch diesmal vor allem die Empörung. Schwer vorstellbar, dass einer der beiden die Unentschiedenen in diesem Schreiduell auf seine Seite ziehen konnte.

Marine Le Pens Strategie, Macron bis zum Wutausbruch zu reizen, geht zumindest nicht auf. Das dürfte sie selbst gemerkt haben: Ihr Lächeln beim Abgang wirkt nicht mehr wirklich überzeugend.

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