TV-Debatte Obama gegen Romney:Echo der Duellanten

Romney sei ein Handlanger der Millionäre, sagt Obama - und die schwarzen Jugendlichen im Hörsaal jubeln vor dem Fernseher. Im Hinterzimmer der Tea Party hingegen beschimpft man den Präsidenten als Clown, doch auch hier gilt Romney als Verlierer. Zu Besuch auf Debattenpartys in zwei amerikanischen Welten.

Nicolas Richter und Christian Wernicke

Mehr kann man sich für einen sportlichen Abend nicht wünschen: Es gibt drei Oktoberfestbiere vom Fass und den "Cowboy Burger" für 10,49, Dollar natürlich. Fairfax, nördliches Virginia, eine halbe Autostunde von der Hauptstadt entfernt - die Tea-Party-Republikaner haben zur Debattenparty geladen. Im Hinterzimmer der "Greene Turtle Sportsbar" hängen neben zwei Deckenventilatoren auch sieben Flachbildschirme, mehr hätte die Wandfläche nicht hergegeben. Und es läuft, anders als im übrigen Teil der Bar, nicht Football oder Baseball, sondern der republikanische Haussender Fox News.

Es sind nicht nur die Anhänger der rechtspopulistischen Tea Party da, auch die schwarze Beamtin Kemi, 35, die bisher zwar immer die Demokraten gewählt hat, inzwischen aber zweifelt, und der Student Ben, 26, der zwar Mitt Romney wählen wird, aber von sich sagt, dass er sehr unabhängig sei, was er schon dadurch zeigt, dass er Rotwein bestellt.

Als das TV-Duell losgeht, sind auch die Zuschauer noch nervös. Barack Obama, der Präsident, und Mitt Romney, sein Herausforderer, wirken hölzern, als sie ihre ersten, eifrig einstudierten Sprüche ausprobieren. Der Republikaner verspricht einem Studenten aus dem Debattenpublikum gerade, dass der in zwei Jahren unter einem Präsidenten Romney natürlich einen Job haben werde ("Du kannst drauf wetten"). Ben, der Student in der Bar, schüttelt den Kopf und blickt sich Hilfe suchend um - nein, das wirkt hier in der Sportsbar zu anbiedernd, lieber Kandidat.

Zehn Kilometer weiter östlich, bei den Studenten der Howard University in Washington DC, kann der Republikaner eh nicht punkten. Das Publikum im abgedunkelten Blackburn Auditorium ist durchweg schwarz, geladen hat die Jugendorganisation "Impact", die junge Amerikaner ermuntert, sich einzumischen in die große Politik. Im Nebenraum stapeln sich Flugblätter, die gegen die Ausbeutung afroamerikanischer Häftlinge in einem Knast in North Carolina protestieren, auf drei großen Papptellern liegen belegte Brötchen in drei Varianten bereit: vegetarisch, mit Thunfisch oder mit Roastbeef. Zu trinken gibt es Saft.

Nicht nur deshalb ist die Stimmung nüchtern, den durchweg demokratisch gesinnten Studenten sitzt noch immer der Schock der ersten TV-Debatte in den Gliedern. "Obama wirkte da völlig abwesend", sagt Johnny Travett, der 22-jährige Student, der nächste Woche sein Examen in Finanzwissenschaft vor sich hat. "Das muss der Präsident diesmal besser hinkriegen. Sonst fällt er durch." Johnny sitzt hinten in der achten Reihe auf einem Klappsessel, auf den Knien hat er seinen Computer. Er will nebenher mitlesen, wie im Netz die Blogger das Duell bewerten. Er grinst: "Und falls es hier zu laut wird, setze ich die Kopfhörer auf und hör's mir im Live-Stream an."

Aber es bleibt ruhig im Hörsaal, angespannt starren die Studenten auf die Leinwand. Zehn Minuten dauert es, bis sich das Publikum regt. Da setzt Barack Obama zum ersten Angriff an. Sein Gegner, so giftet der Präsident, habe in Wahrheit keinen Fünf-Punkte-Plan: "Er hat einen Ein-Punkte-Plan, und mit diesem Plan will er sicherstellen, dass die Typen ganz oben ihr Spiel nach Sonderregeln spielen dürfen." Das kommt an, erlöstes Gelächter belohnt die Attacke. Johnny ist erleichtert: "Gott sei Dank, heute ist er forsch."

Zwei Orte, zwei Welten

Bei der Tea Party in der Greene Turtle Bar klingt das Echo natürlich anders. Als Obama seine Polemik über Romneys angeblichen Ein-Punkt-Plan anstimmt, ahnen sie, was folgen wird. Gerade legt der Präsident eine Kunstpause ein, lang genug, dass mehrere Rechte am Tresen dazwischenrufen können: "Millionäre!" Und tatsächlich sagt Obama, dass Romney nur dem obersten einen Prozent der Gesellschaft helfen wolle, worauf sich die Spannung in schreiendem Gelächter entlädt.

Zwei Orte, zwei Welten. Beide Lager fiebern mit ihrem jeweiligen Favoriten; wenn der Gegner spricht, schalten sie ab. Im Hörsaal der Uni tippt Capri Nugent, eine junge Frau mit Designerbrille und strengem Knoten im Haar, eifrig E-Mails in ihr Smartphone, derweil Mitt Romney Obamas Schuldenwirtschaft anprangert. Romneys bissigen Satz, eine Wiederwahl des Demokraten würde Amerika "auf die Straße in Richtung Griechenland" driften lassen, überhört sie schlicht. Und doch spürt die linke Literaturwissenschaftlerin, die gerade ihren ersten Job als Mitarbeiterin im Vorzimmer eines Demokraten im Kongress ergattert hat, dass nicht alles glattläuft für ihr Idol. Als Romney Obamas Bilanz zerpflückt und Arbeitslosigkeit und Armut im Land beklagt, legt sie ihre geballte Faust unters Kinn. Ängstlich starrt Nugent auf die Leinwand, dann die Erlösung: Obama kontert und fordert, zum Schuldenabbau und "für die Ausgewogenheit" sollten auch Amerikas Reiche beisteuern - "und ein bisschen mehr" Tribut zollen.

Das Argument zeigt auch andernorts Wirkung: In der Bar der Tea Party wird es still im Raum. Bei aller Abneigung gegen höhere Steuern scheint es so zu sein, als kämen auch stramm Konservative ins Grübeln. Es sind ja nicht die Millionäre, die hier in der Kneipe sitzen.

In der ersten Debattenhälfte versucht Romney die Führungsrolle zu übernehmen - und gleich noch die des Moderators dazu. "Sie sind gleich wieder dran, jetzt rede ich", sagt er einmal zu Obama, und Einzeiler wie diese wirken auf das Publikum in der Greene Turtle Bar wie Tore beim Fußball. "Der Präsident hält gute Reden, aber man muss auch mal seine Bilanz sehen". Torjubel. Applaus. Schreie. Manchmal aber auch Staunen. An seinem ersten Tag im Amt werde er China wegen Währungsschwindel an den Pranger stellen, sagt Romney forsch. Ben, der Student, kichert ungläubig. Der Mitt, der traut sich was.

Die Abneigung gegen Obama äußert sich nicht nur in empörtem Gejaule oder in Zwischenrufen. Einer der Zuschauer redet die ganze Zeit vor sich hin. "Halt die Klappe!", murmelt er, wenn der Präsident redet. "Was für ein Clown", zischt er, als Obama zu Romney sagt, das einzig Spezifische an dessen Sparplänen sei Big Bird von der Sesamstraße.

Der Hörsaal der Howard-Uni jubelt in diesem Moment. "Heute gewinnt Obama", ruft Capri Nugent ihrer Freundin Sheryl zu, die zwei Plätze rechts von ihr sitzt. Hinten hat sich Johnny inzwischen die Kopfhörer ins Ohr gesteckt, er strahlt. Zum Eindruck, dass der Präsident in diesem Schlagabtausch nach Punkten klar vorn liegt, trägt auch die Optik bei: Auf der körnigen Leinwand wirkt Romney blässlich, fast krank. Obama hat eben mehr Farbe, sein Teint macht ihn zum Sieger. Als Obama dann auch noch im Streit um den Terroranschlag in Bengasi die Oberhand behält und vor Millionen Fernsehzuschauern beweisen kann, dass er schon am ersten Tag nach dem tragischen Tod von vier Amerikanern in Libyen solche "Akte des Terrors" gegeißelt habe, ballt Nugent die Faust wie einst Boris Becker. "Yeah, das saß!"

Derweil ist es still geworden in der Greene Turtle Bar. Die Zuhörer spüren, dass Romney nach starkem Start nachgelassen hat. Nach dem Bengasi-Flop hat Romney nicht zur alten Angriffslust und Souveränität zurückgefunden. Und ganz zum Schluss muss er sogar hinnehmen, dass Obama an den größten Lapsus des Republikaners erinnert - an das Video, das Romney erwischte, wie er vor reichen Gönnern verkündete, er müsse sich nicht um jene 47 Prozent der Amerikaner kümmern, die eh keine Steuern zahlten.

Ben, der Tea-Party-Sympathisant und Romney-Wähler bestellt die Rechnung. Schließlich sagt er: "Es stört mich, dass Romney jetzt auch wie ein Klassenkämpfer spricht. Obama ist Sozialismus, Romney ist Sozialismus light." Und für Kemi, die schwarze Beamtin? Ging der Fight unentschieden aus. Sie schwanke noch immer, sagt sie. So wie vor dem Kampf.

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