Süddeutsche Zeitung

TV-Debatte im französischen Wahlkampf:"Egal was passiert, Sie sind immer zufrieden"

Wenige Tage vor der Stichwahl um das französische Präsidentenamt haben die Kandidaten aggressiv um Wählerstimmen geworben. In einem hitzigen TV-Duell trafen Amtsinhaber Sarkozy und der sozialistische Herausforderer François Hollande direkt aufeinander. Besondere Brisanz in die Debatte brachte ein Nazi-Vergleich.

Vier Tage vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Frankreich haben die beiden Kandidaten am Mittwochabend mit aggressiver Rhetorik um Wählerstimmen geworben. In einem Fernsehduell setzten sich der Sozialist François Hollande und der konservative Amtsinhaber Nicolas Sarkozy erstmals im Wahlkampf direkt zu Themen wie Arbeitslosigkeit und Euro-Krise auseinander.

Der in Umfragen führende Hollande sagte gleich zu Beginn, er wolle ein Präsident sein, der das Land zusammenführe. Sarkozy verwies in seiner Eingangserklärung auf die historische Dimension der Wahl am Sonntag: "Frankreich darf keinen Fehler machen: wir stecken nicht in einer Krise, wir stecken in vielen Krisen".

Anderthalb Stunden der insgesamt auf zweieinhalb Stunden angesetzten Debatte erörterten die beiden Kandidaten das Thema Wirtschaft. Hollande kritisierte die geplante Mehrwertsteuererhöhung, die Sarkozy im Oktober umsetzen will, um im Gegenzug die Lohnnebenkosten zu senken und die Unternehmen zu entlasten. Die Maßnahme schade Wachstum und Kaufkraft, sagte der Sozialist.

Mit Blick auf die Arbeitslosigkeit von rund zehn Prozent in Frankreich zitierte der sozialistische Kandidat das Vorbild Deutschland: "Unsere Arbeitslosigkeit ist gestiegen, unsere Wettbewerbsfähigkeit ist gesunken und Deutschland hat es besser gemacht als wir". Sarkozy erinnerte seinen Rivalen daraufhin daran, dass er Maßnahmen nach deutschem Vorbild wie die Schuldenbremse ablehne.

Angespannte Atmosphäre

Gleichzeitig betonte der Präsident, dass Frankreich seit 2009 kein einziges Quartal mit einer Rezession gehabt habe. "Egal was passiert, Sie sind immer zufrieden", reagierte Hollande daraufhin bissig.

"Es herrscht eine sehr angespannte Atmosphäre", sagte der Meinungsforscher Frédéric Dabi vom Ifop-Institut. Sarkozy spreche Hollande auf "etwas lehrerhafte Art" die Fähigkeit ab, das Land zu regieren. Die Parteien der beiden Kandidaten sahen zur Halbzeit jeweils ihren Favoriten im Vorteil.

"Der sozialistische Kandidat ist, was die Genauigkeit und Qualität angeht, Nicolas Sarkozy deutlich unterlegen", sagte der Abgeordnete Bernard Debré von der konservativen UMP. Hollandes Sprecherin Najat Vallaud-Belkacem lobte die unbeirrbare Haltung des Sozialisten, der seinem Gegner direkt in die Augen schaue.

Das 1974 eingeführte Fernsehduell ist der Höhepunkt des Wahlkampfes in Frankreich. In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage liegt der Sozialist mit 54 Prozent deutlich vor dem Amtsinhaber mit 46 Prozent. Für einen Sieg am Sonntag bräuchte Sarkozy rund drei Viertel der Stimmen der rechtsextremen Front National (FN). Die FN-Vorsitzende Marine Le Pen kündigte am Dienstag an, sie werde einen leeren Stimmzettel abgeben und wandte sich gegen beide Kandidaten.

Ärger über Nazivergleich

Kurz vor der entscheidenden Runde der französischen Präsidentwahl hat ein prominentes Mitglied der Sozialistischen Partei (PS) Amtsinhaber Nicolas Sarkozy Großkundgebungen im Nazi-Stil vorgeworfen. Die Bilder und Symbole von Sarkozys Wahlkampfveranstaltung am 1. Mai vor dem Eiffelturm erinnerten an die Aufmärsche in Nürnberg, schrieb der bekannte Genetiker Axel Kahn am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Obwohl Kahn für die Äußerungen wenig später um Verzeihung bat, sorgten sie im Wahlkampf für neue hitzige Debatten. Im TV-Duell nutzte Sarkozy sie für eine Attacke gegen seinen Herausforderer François Hollande. Sein Kontrahent spreche davon, ein Kandidat der Einigung sein zu wollen, schimpfte Sarkozy. Und gleichzeitig vergleiche Hollandes Lager sein Veranstaltungen mit denen in Nürnberg. Dort fanden während der nationalsozialistischen Diktatur zahlreiche monumentale Großveranstaltungen von Hitler-Anhängern statt.

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