Süddeutsche Zeitung

TV-Debatte der Republikaner:Jeb Bush verzockt seine Kandidatur

  • TV-Debatte der Republikaner: Kandidaten bleiben Details zur Wirtschaftspolitik schuldig.
  • Marco Rubio trumpft auf, Jeb Bush bleibt blass.
  • Die konservative Losung für 2016 ist die altbekannte Nummer: weniger Steuern, weniger Staat.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Was sind die wirtschaftlichen Ziele der republikanischen Präsidentschaftskandidaten des Jahrgangs 2015? Mehr Wachstum, weniger Steuern, weniger Regierung. Wie wollen sie das erreichen? Nach der dritten TV-Debatte ist niemand schlauer - obwohl der Abend in Boulder, Colorado, doch einzig der Wirtschaftspolitik gewidmet war.

Die zweistündige Sendung sei für die zehn Anwärter "ein Bewerbungsgespräch beim amerikanischen Volk", kündigten die Moderatoren des Wirtschaftssenders CNBC vollmundig an. Doch leider war das Trio um John Harwood selbst schlecht auf dieses Gespräch vorbereitet. Die Fragen waren selten zielführend, und wenn, dann konnten die Kandidaten ihnen meist leicht ausweichen, in Antworten sogar unwidersprochen lügen.

Ted Cruz bemängelte die steigende Inflationsrate - die es gar nicht gibt. Donald Trump bestritt, Marco Rubio wegen seiner Nähe zur Technologie-Branche als "Mark Zuckerbergs persönlichen Senator" bezeichnet zu haben. Dabei steht es wörtlich so in seinem Wahlprogramm (immerhin wurde später darauf hingewiesen). Carly Fiorina behauptete fälschlicherweise, dass in der Rezession 92 Prozent der arbeitslos gewordenen US-Bürger Frauen gewesen seien. Und Chris Christie konnte von einem "Ferguson-Effekt" erzählen, der die Proteste gegen Polizeigewalt für einen Anstieg der Gewalttaten verantwortlich macht - und für den es bislang keine Belege gibt.

Jeb Bush dürfte bald am Ende angekommen sein

Doch Fakten sind in den ideologisierteren Sphären amerikanischer Politik ohnehin nur ein Nebenaspekt - es geht im Spiel um Sympathie und Aufmerksamkeit um den präsidialen Eindruck.

Nach diesen Maßstäben dürfte Jeb Bush bald am Ende seiner Kandidatur angekommen sein: Das Mitglied der Politiker-Dynastie galt vor der Debatte als angeschlagen, wirkte dann aber weniger engagiert als vielmehr überfordert. Zur Legalisierung bestimmter Glücksspiele wusste er zu erzählen, dass er im Football-Managerspiel ungeschlagen sei. Dem jungen Konkurrenten Marco Rubio warf er vor, Abstimmungen zu verpassen und mit nur drei Tagen eine "französische Arbeitswoche" zu haben. Dessen trockene Antwort: "Jemand hat dich davon überzeugt, dass es dir helfen wird, mich anzugreifen."

Rubio waren schon vor der Debatte weiter steigende Chancen prognostiziert worden - dies dürfte sich erfüllen. Immer wieder betonte der Sohn zweier Exilkubaner seine Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen und verband es klug mit dem Schicksal von "kleinen Geschäften, die kämpfen müssen und Millionen, die von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck leben".

Das ist das Gegenteil zum Narrativ des Donald Trump: Der Immobilien-Magnat verkauft sich weiterhin als teuflisch guter Geschäftsmann, ohne seinen Geschäftsplan im Detail zu verraten. Seine Strategie, um Jobs zu schaffen? "Ich habe Tausende Arbeitsplätze geschaffen." Als Präsident würden es eben Millionen sein. "Und ich werde Jobs zurückbringen, aus Japan, China, Mexiko." Seiner Vagheit blieb der 69-Jährige wie in den vorherigen Debatten treu - und er darf darauf hoffen, dass das weiterhin in den Umfragen keine Rolle spielt, weil er den Außenseiter- und Macher-Bonus genießt.

Der andere Außenseiter, Ben Carson, hatte Trump zuletzt an der Spitze einer landesweiten Umfrage abgelöst. Warum? An der Basis kommt sein ruhiges, mitunter fast schläfrig wirkendes Auftreten sehr gut an, doch Substanz liefert er nicht. Auf der Bühne änderte der neoevangelikale Neurochirurg seine geplante Einheitssteuer schnell von zehn auf 15 Prozent, konnte die nichtsdestotrotz wegfallenden Staatseinnahmen dennoch nicht erklären ("es wird funktionieren, wenn Sie die Fakten kennen"). Auch sonstige Details zu irgendeiner seiner Ideen verriet er nicht. Doch auch hier gilt bislang: Nicht Carsons Sachpolitik, sondern seine Erzählung vom Kampf "der amerikanischen Regierung gegen das amerikanische Volk" verfängt.

Ohnehin strapazierten die meisten Kandidaten erneut das "Wir gegen die anderen" ins Extreme. Neben Hillary Clinton, Barack Obama und den Akteuren in Washington waren an diesem Abend auch die Medien im Fokus, gegen die die Kandidaten mehr austeilten als untereinander.

Die Demokraten hätten ihre größten Unterstützer in den "Mainstream-Medien", verkündete Rubio. "Ihre bisherigen Fragen zeigen, warum die Amerikaner den Medien nicht vertrauen", schimpfte der Texaner Ted Cruz, "das ist kein Käfig-Kampf." Dafür erhielt er den lautesten Applaus des Abends, auch sonst kam seine Ich-bin-ein-Hardliner-Attitüde bei der republikanischen Basis gut an.

Was ist schon vernünftig?

Außenseiter John Kasich aus Ohio konnte da mit seiner Kritik an "Fantasie-Plänen" von Carson, Trump und Co. nicht groß punkten - moderate Vorschläge und Töne wirken im republikanischen Vorwahlkampf weiterhin wie aus einer anderen Zeit. Und auch Carly Fiorina scheint ihre (sehr umstrittene) Geschichte von der erfolgreichen Hewlett-Packard-Chefin, die das Weiße Haus als CEO führt, auserzählt zu haben. Chris Christie dagegen erlebte den bislang besten Abend seiner Kandidatur und strahlte aggressive Kompetenz aus, ohne auf Schwenks ins Extreme zu verzichten.

Aber ob das überhaupt etwas bedeutet in diesem Vorwahlkampf jenseits der Vernunft, weiß niemand. Immerhin sind sich die Kandidaten einig, dass die Amerikaner künftig alle weniger Steuern zahlen (irgendwie), weil Washington weniger ausgibt (irgendwo) und die Wirtschaft (wegen der niedrigeren Steuern) durch die Decke geht. Dabei steht die US-Wirtschaft unter einem demokratischen Präsidenten im globalen Vergleich ziemlich gut da. Dies erwähnte an diesem Abend allerdings niemand - auch nicht die überforderten Moderatoren.

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