TV-Debatte der kleinen Parteien:Drei Spitzen-Streithähne

TV election debate of Green Party, Liberal Party and Left Party

TV-Duell zu dritt: Gregor Gysi (Linke), Rainer Brüderle (FDP) und Jürgen Trittin (Grüne)

(Foto: dpa)

Politiker in hitzig-wütender Debatte - nein, so etwas hat es tags zuvor beim Kanzler-Duell nicht gegeben. Beim Aufeinandertreffen von Gysi, Brüderle und Trittin geht es drunter und drüber. Statt politischer Aussagen gibt es Emotionen satt. Für unfreiwillige Komik sorgen zwei hilflose Moderatoren und ein Patzer von Gysi.

Von Stefan Braun, Berlin

Da sage noch einer, es gäbe in diesem Bundestagswahlkampf keinen Streit. Und da behaupte noch einer, Fernsehduelle seien per se einem allzu strengen Korsett der Moderatoren untergeordnet. Am Montagabend, beim TV-Dreikampf von Gregor Gysi (Linke), Jürgen Trittin (Grüne) und Rainer Brüderle (FDP), konnte jeder erleben, wie Politiker kochend vor Zorn nebeneinander glühen können - und Moderatoren mühsam darum kämpfen, dem Gespräch trotz größten Durcheinanders noch eine Richtung zu geben. Nein, so was hat es tags zuvor beim Duell von Angela Merkel gegen Peer Steinbrück nicht gegeben.

Ob es allerdings ein Gewinn ist, wenn ein einstündiges Rededuell so unkontrolliert aus dem Ruder läuft, steht auf einem anderen Blatt. Weder für den Zuschauer noch für die Moderatoren Siegmund Gottlieb und Jörg Schönenborn und wahrscheinlich auch nicht für die drei Streithähne dürfte dieser Abend so richtig viel gebracht haben. Viel zu lange in diesen sechzig Minuten ging es drunter und drüber, und dass sich die Moderatoren hin und wieder gegenseitig erklärten, dass wieder einer der Diskutanten ihnen nicht mehr so recht folgen wolle, sollte zwar lustig klingen, verbesserte den Gesamteindruck von diesem Abend aber auch nicht wirklich.

Keine Übereinstimmung, aber ähnliche Grundstimmung

Und so blieben klare politische Aussagen über weite Strecken Mangelware, weil meistens keiner ohne gravierende Unterbrechungen aussprechen konnte. Emotionen waren das Interessanteste, was dieser Abend deshalb zu bieten hatte. Es war ungefähr nach zwanzig von sechzig Minuten, da konnte man bei Gysi und Brüderle keine Übereinstimmung in der Sache, aber eine ähnliche Grundstimmung ausmachen. Beide wirkten so zornig an ihrem Stehpult, dass man glatt fürchten musste, es fehle bei beiden nicht mehr viel bis zum Vulkanausbruch. Dabei war unklar, was sie mehr ärgerte: die Meinung des anderen oder doch das besonders erhaben-schlaue Auftreten von Jürgen Trittin.

Es ging um den Mindestlohn, es ging um prekäre Beschäftigung und wie man die damit verbundenen Probleme lösen könnte. Doch wer sich nicht sehr genau auskennt in diesen Fragen, wer nicht einschätzen kann, ob Gysis Zahlen oder die von Trittin oder doch jene von Brüderle stimmen, ging in diesem Streit schlicht unter.

Unfreiwillig komische, weil hilflose Moderatoren

So blieb über weite Strecken nur die Möglichkeit zu beobachten, wie Gysi in der Anfangsphase sehr wach und entschlossen die Lage vieler prekär Beschäftigter beklagte, wie Trittin Brüderle fast pedantisch präzise vorrechnete, dass ein flächendeckender Mindestlohn den Haushalt um bis zu vier Milliarden Euro entlasten würde, weil das Aufstockergeld wegfiele - und wie Brüderle noch einmal mit Verve erklären durfte, dass ein Mindestlohn "eine Chimäre" sei, weil er eine Lösung vorgaukele, aber keine Lösung darstelle. Wären nicht die unfreiwillig komischen, weil ziemlich hilflosen Moderatoren gewesen - der Reiz der Veranstaltung wäre auf Null gesunken.

Heftig ging es auch beim Thema Steuern zu. Und weil Brüderle erklärte, selbst ein Bäckermeister werde durch Trittins Pläne schwer belastet, sagte der Grüne: "Herr Brüderle, Sie lügen." Doch während Moderator Schönenborn erschrocken betonte, das sei sicher nicht ganz so gemeint gewesen, erschien Brüderle nicht wirklich getroffen. Er wiederholte seine Rechnung - und Trittin seinen Vorwurf.

Immerhin gab es einen heiteren Moment, auch wenn der unbemerkt blieb. Als Gysi den "Wahnsinn" in der Sozialpolitik geißelte, drehte er sich zu Brüderle um und erklärte: "Das müssen Sie ändern." Er sagte nicht, er wolle das ändern. Brüderle müsse es richten. So kann das gehen, wenn man lange Opposition ist.

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