Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Tusk verteidigt von der Leyen

Der EU-Ratschef stärkt der nominierten Kommissionspräsidentin in Straßburg den Rücken. Gleichzeitig umwirbt er die Grünen. Denn die Kandidatin braucht eine parteiübergreifende Mehrheit.

Von Alexander Mühlauer und Robert Roßmann, Straßburg, Berlin

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat die Nominierung von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Präsidentin der Europäischen Kommission gerechtfertigt. Der Rat der Staats- und Regierungschefs sei genauso demokratisch legitimiert wie das Europäische Parlament, sagte Tusk am Donnerstag im Straßburger Plenum. Er forderte die Abgeordneten auf, von der Leyen zu unterstützen. "Letztlich müssen wir uns gegenseitig respektieren und miteinander arbeiten, denn nur dann können wir Vertrauen aufbauen und Europa zum Besseren verändern", sagte Tusk.

Der Ratspräsident hob hervor, dass er sich vor der Entscheidung über die EU-Spitzenämter viele Male mit Vertretern des Parlaments getroffen habe. In Straßburg umwarb Tusk vor allem die Grünen. Er werde sich dafür einsetzen, dass die Parteienfamilie bei der Besetzung der neuen EU-Kommission berücksichtigt würde, und hoffe, dass auch von der Leyen diese Botschaft aufnehme. "Ich appelliere an alle meine Partner, die Grünen in den Ernennungsprozess einzubeziehen, auch wenn sie keine Staats- und Regierungschefs im Rat haben", sagte Tusk.

Grund für diese Aufforderung ist die Tatsache, dass sich von der Leyen am 16. Juli der Abstimmung im Parlament stellen muss. Sie hofft dabei auf die Unterstützung der Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialdemokraten, der Liberalen und der Grünen. Doch viele Abgeordnete sehen von der Leyens Nominierung kritisch. Schließlich ist die deutsche Ministerin bei der Europawahl nicht als Spitzenkandidatin angetreten. Sie wurde vom Europäischen Rat überraschend als Kommissionspräsidentin nominiert, nachdem es für die Spitzenkandidaten von EVP und Sozialdemokraten keine Mehrheit im Europäischen Rat gab. Auch im EU-Parlament war keine Mehrheit für die beiden absehbar. Damit von der Leyen den Posten der Kommissionschefin erhält, muss sie vom EU-Parlament bestätigt werden. Ob sie dort allerdings die nötige Mehrheit bekommt, ist derzeit noch offen.

In der Debatte am Donnerstag stellte insbesondere die sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Iratxe García klare Bedingungen: "Wir werden keinen Kandidaten akzeptieren, der nicht bereit ist, eine Reform der Wirtschaftspolitik, die Stärkung der Sozialpolitik und die ökologische Transformation vorzuschlagen." Die Liberalen dringen wiederum auf eine Reform des Wahlsystems, damit bei der nächsten Europawahl Kandidaten über transnationale Listen gewählt werden können. Die Grünen fordern vor allem konkrete Bekenntnisse beim Klimaschutz.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer warnte die SPD-Europaabgeordneten davor, Ankündigungen wahr zu machen, und gegen von der Leyen zu stimmen. "Wenn die deutschen Sozialdemokraten wirklich an ihrer destruktiven Haltung gegenüber der Kandidatur von Ursula von der Leyen festhalten, dann wäre dies eine Belastung auch für die Koalition", sagte die CDU-Chefin nach einem Treffen mit dem österreichischen Ex-Kanzler Sebastian Kurz in Berlin.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4511246
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.07.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.