Turkmenistan:Krise im weißen Land

Turkmenistan: Die Farbe des Glücks: Weil es dem Herrscher gefällt, müssen Autos in Turkmenistan weiß sein. Straße in der Hauptstadt Aschgabat.

Die Farbe des Glücks: Weil es dem Herrscher gefällt, müssen Autos in Turkmenistan weiß sein. Straße in der Hauptstadt Aschgabat.

(Foto: Jose Fuste Raga/Mauritius Images)

Die Menschen in der ehemaligen Sojwetrepublik müssen nach besseren Jahren nun mit Wirtschaftsproblemen leben - und mit rätselhaften Erlassen des autoritären Regimes.

Von Frank Nienhuysen

Turkmenistan gehört zu den Staaten, die besonders willkürlich in das Leben ihrer Bürger eingreifen. Vor zwei Wochen etwa wurde bekannt, dass die Behörden die Einfuhr von Bikinis und kurzen Badehosen verboten haben, offenbar weil sie gegen die aktuellen Mode- und Moralvorstellungen der Regierung verstoßen. So ganz genau weiß man das nicht, denn nach einem Bericht der turkmenischen Abteilung von Radio Free Europe (RFE) wird der Nachschub für die Händler zwar unterbunden, begründet wurde es aber nicht. Für die Läden und ihre Kunden gilt also: Nur noch solange der Bikini-Vorrat reicht.

Auch beim Autofahren hat sich die Lage für turkmenische Frauen neuerdings radikal verändert. Ende vergangenen Jahres warnten Verkehrspolizisten Turkmeninnen davor, dass sie künftig eine Strafe riskierten, wenn sie am Lenkrad erwischt werden. Seit Januar, das berichtete nun auch die russische Zeitung Nesawissimaja Gaseta, haben Polizisten damit begonnen, Frauen den Führerschein abzunehmen und ihr Auto auf einen "Strafparkplatz" zu steuern. Dass Fahrzeuge in Turkmenistan nicht einfach eine Farbe nach Wahl haben dürfen, sondern Schwarz praktisch verboten ist und das angeblich Glück verheißende Weiß äußerst erwünscht, ist hingegen nicht mehr ganz so neu. Daran haben sich Turkmenen in der diktatorisch regierten ehemaligen Sowjetrepublik bereits gewöhnt.

Viele wollen ihr Glück in der Türkei suchen. Aber nicht alle dürfen das

Was für viele allerdings noch schwerer wiegen dürfte als Geschäfte ohne neue Bikinis und Straßenverkehr ohne Fahrerinnen, ist die Wirtschaftskrise, die das zentralasiatische Land erfasst hat. Die inoffizielle Arbeitslosenquote wird auf eine hohe zweistellige Prozentzahl geschätzt, die Inflation steigt rasant. Viele Turkmenen wollen deshalb ihr Glück in anderen Ländern suchen, in erster Linie in der sprachlich verwandten Türkei. Im eleganten, weißen Gebäude des internationalen Flughafens von Aschgabat aber werden nach einem Bericht von RFE derzeit beinahe täglich Dutzende turkmenische Passagiere trotz gültiger Tickets nach Istanbul oder nach Dubai von ihrer Reise abgehalten - auch das demnach ohne hinreichende Erklärung. Viele versuchten sich deshalb auf anderen Wegen durchzuschlagen, über Aserbaidschan, Kasachstan, Usbekistan. Und von dort aus weiter Richtung Istanbul.

Das islamische Turkmenistan ist unter den autoritär geführten Staaten Zentralasiens ein besonders schwer zugängliches Land. Opposition und freie Medien sind unerwünscht. Es ist der einzige Staat, der keine Direktflüge in seine Nachbarländer hat. Zu den Dingen, die dagegen reichlich vorhanden sind, gehören staatliche weiße Prachtbauten - und besonders viel Erdgas. Die Vorkommen gelten als die viertgrößten weltweit, weshalb Turkmenistan zu den einflussreichen Regionalmächten gehört und eigentlich beste Aussichten haben könnte.

Viele Jahre ist der Staat mit seinen Ressourcen großzügig umgegangen; Gas, Licht, Wasser waren für die Bürger stets umsonst gewesen. Doch die Lage hat sich geändert. Russland und Turkmenistan haben sich immer wieder über Lieferbedingungen und Gasverträge gestritten, bis Moskau vor zwei Jahren schließlich aufgehört hat, überhaupt noch turkmenisches Gas für den heimischen Markt zu kaufen.

Präsident Berdymuchamedow regiert mit bizarrer Strenge und gewaltigem Personenkult

Als wichtigster Abnehmer ist vor allem China geblieben. Das allerdings ist bekannt als knallharter Verhandlungspartner, der auf dem Energiemarkt in der russischen Fernostregion weitere Alternativen sieht. Turkmenistan versucht deshalb, über das ersehnte Pipeline-Projekt Tapi mit Indien und Pakistan als künftige Absatzmärkte ins Geschäft zu kommen, doch die Verhandlungen verlaufen zäh. Das gilt auch für die Pläne zum Bau einer Röhre durch das Kaspische Meer, in einer Zeit, in der die Nachfrage aus Europa zurückgeht und die Marktpreise sinken. Turkmenistans Wirtschaftsprobleme verstärken sich derweil. Angestellte warten auf Gehälter, Arbeitsplätze werden abgebaut, für Bankkunden wurde der Service an Geldautomaten verringert. Auch Russland erwartet neben der Türkei eine Zunahme der Migration aus dem zentralasiatischen Land, wo Präsident Gurbanguly Berdymuchamedow mit bizarrer Strenge regiert - allumfassender Personenkult inklusive.

In eher schwierigen Zeiten verlassen sich autokratische Machthaber deshalb besonders gerne auf Mitglieder der eigenen Familie. Präsident Berdymuchamedow nennt sich wie schon sein verstorbener Vorgänger "Vater aller Turkmenen", doch er ist auch der Vater des 36 Jahre alten Serdar Berdymuchamedow. Vor zwei Wochen war der Sohn des Staatschefs mit 91 Prozent der Stimmen ins Parlament gewählt worden. Kurz darauf wurde er per Präsidentenerlass stellvertretender Außenminister.

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