Süddeutsche Zeitung

Tunesiens Ex-Präsident Ben Ali:"Der Ceausescu der Sanddünen"

Betonhart und unerschütterlich erschien die Herrschaft des 74-jährigen Ben Ali bis vor wenigen Tagen. Doch das tunesische Volk hatte die Nase von ihm und seinem Regime voll.

Rudolph Chimelli

Spötter nannten Tunesiens langjährigen Präsidenten "den Ceausescu der Sanddünen", denn so betonhart und unerschütterlich wie einst die Diktatur des Rumänen erschien die Herrschaft des 74-jährigen Zine el-Abidine Ben Ali noch bis vor wenigen Tagen. Bei seinem Amtsantritt vor 23 Jahren hatte Ben Ali einst "Demokratie" versprochen. Doch nach einer kurzen Periode der Öffnung baute der vormalige Geheimdienstchef sein Land rasch zum perfekten Polizeistaat aus. "Ich weiß alles, bin über alles auf dem Laufenden", lautet ein oft zitiertes Wort des Informatik-Fanatikers.

Dass sein Volk die Nase von seinem Regime voll hatte - das aber wollte er lange nicht wahrhaben. Nach Massenprotesten und Dutzenden von Toten war der Druck nun so groß geworden, dass Ben Ali reagieren musste: Am Freitag entließ er seine Regierung und kündigte Neuwahlen an. Er selbst wollte da eigentlich noch bis zum Ende seiner letzten Amtszeit, bis 2014, die Geschicke des Landes lenken. Am Abend aber teilte das Staatsfernsehen in Tunis mit, Ben Ali sei zurückgetreten und habe das Land verlassen.

Der Autokrat Ben Ali hatte durchweg mit harter Hand regiert. Jedem Tunesier verpasste er einen Strichcode auf der Kennkarte, mit dem sich bei der zentralen Datenbank berufliche Laufbahn, eventuelle Strafen und Kompromittierendes aus dem Privatleben abrufen lassen.

Vor Ben Ali hatte Tunesien 40.000 Polizisten, er beschäftigte 130.000, so viele wie Frankreich mit sechsmal so viel Einwohnern. Strikte Zensur machte die Medien so langweilig, dass im Vergleich Ostblock-Zeitungen von einst wie Revolverblätter wirken.

In Ben Alis Formaldemokratie gab es Oppositionsparteien. Aber sie hatten so wenig zu sagen, dass der Staatsapparat ihnen bei Wahlen Stimmen und Mandate verschaffen musste. Tunesiens vergleichweise gemäßigten Islamisten hätten seiner Ein-Mann-Herrschaft auf die Dauer gefährlich werden können. Aber sie wurden gnadenlos verfolgt, gefoltert, getötet oder ins Ausland getrieben.

Gleich nach der Unabhängigkeit im Jahre 1956 trat Ben Ali der Armee bei. Er wurde an Frankreichs Militärakademie Saint-Cyr und an einer Geheimdienstschule in Amerika ausgebildet. Als Chef des militärischen Sicherheitsdienstes seines Landes reiste er oft in die USA und knüpfte gute Kontakte zur CIA. Später war er Militärattaché in Marokko und Spanien sowie Botschafter in Warschau, dann Minister für Sicherheit, später Innenminister. Gegen Streikende und bei der Unterdrückung der wiederholten Brot-Unruhen war er unnachgiebig.

Ben Alis frühe Karriere war beschleunigt worden, als er die Tochter eines Generals heiratete. Inzwischen selber General, lernte er seine zweite Frau Leila Trabelsi kennen. Sie war Friseurin, was nicht erwähnt werden durfte, und hat zehn Brüder, für die sie zu sorgen wusste.

Ohne ihre Familie mit zehn bis zwanzig Prozent zu beteiligen, kam niemand voran, der ein nennenswertes Unternehmen gründen wollte. Nichts hat den Volkszorn stärker entfacht als die wuchernde Bereicherung des Clans. Wo zuletzt ein Supermarkt, ein Haus oder ein Hotel brannte, handelte es sich meist um Trabelsi-Besitz.

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Quelle:
SZ vom 15.01.2011/segi
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