Tunesien:Mehr als 30 Tote nach Protesten

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Während die Zahl der Toten in Tunesien nach gewaltsamen Protesten gegen die Arbeitslosigkeit auf über 30 steigt, verspricht Präsident Ben Ali 300.000 neue Arbeitsplätze.

Im Maghreb brodelt es weiter: Bei neuen Unruhen in Tunesien sind am Montag mehr als zehn Menschen getötet worden. Nach Augenzeugenberichten eröffneten Polizisten in der Stadt Kasserine im Westen des Landes das Feuer auf Demonstranten und schossen ziellos in die Menge. Dabei starben mehr als zehn Menschen und mindestens zehn weitere wurden verletzt. Die Gesamtzahl der Toten bei den Unruhen in den vergangenen Tagen erhöht sich damit auf über 30.

Der Grund für die gewaltsamen Proteste: die hohe Arbeitslosigkeit. (Foto: AFP)

Die Regierung in Tunis bestätigte indes nur vier Todesfälle. Es habe Brandstiftungen und Angriffe auf Polizeiwachen gegeben, so die offizielle Mitteilung. Die Beamten hätten zur Selbstverteidigung in die Luft geschossen. Doch das habe die Würfe von Brandsätzen nur intensiviert "und das verursachte vier Todesfälle unter den Angreifern", hieß es in dem Schreiben des Innenministeriums weiter. Acht Polizisten seien bei den Zusammenstößen verletzt worden.

Als Konsequenz ließ die Regierung bis auf weiteres alle Schulen und Universitäten des Landes schließen. Zahlreiche Jugendliche und Studenten hatten sich zuletzt an Demonstrationen und Ausschreitungen beteiligt. Als Hintergrund der schlimmsten Aufstände seit Mitte der achtziger Jahre gelten die hohe Arbeitslosigkeit und der Frust vieler Tunesier, am Reichtum ihres Landes keinen Anteil zu haben. Vor allem junge Menschen sind betroffen.

Die Regierung hatte zuvor lediglich 14 Todesopfer bei den Unruhen eingeräumt, Journalisten hatten aber bereits am Wochenende die Namen von 23 Opfern dokumentiert. Die Europäische Union forderte am Montag "Zurückhaltung beim Einsatz von Gewalt und die Respektierung der Grundfreiheiten". Blogger, Journalisten, Rechtsanwälte und andere festgenommene Personen, die friedlich demonstriert hätten, seien unverzüglich freizulassen, heißt es in der Erklärung.

Ob die Demonstranten in Kasserine am Montag zunächst die Polizisten angegriffen hatten, war vorerst unklar. Zahlreiche Einwohner der Stadt versammelten sich nach den neuen Ausschreitungen zu Protesten auf den Straßen. Bereits am Wochenende waren in Kasserine nach Gewerkschaftsangaben fünf Menschen bei Ausschreitungen getötet worden.

Der tunesische Präsident Zine el-Abidine Ben Ali versprach in einem Fernsehauftritt, die Regierung werde in den nächsten zwei Jahren zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. In diesem und dem kommenden Jahr wolle er 300.000 Jobs schaffen, kündigte er an. Die Opposition warf der Regierung vor, die Armee einzusetzen und dadurch zur Eskalation beizutragen. Mindestens vier Menschen, unter ihnen zwei 17-Jährige und ein arbeitsloser Hochschulabsolvent, haben sich aus Protest öffentlich selbst in Flammen gesetzt. Zwei von ihnen starben an ihren Brandverletzungen.

300.000 neue Jobs

Unterdessen hat sich die Lage in Algerien am Montag weitgehend beruhigt, auch dort hatte es zuletzt soziale Unruhen mit mehreren Toten gegeben. Es gab noch vereinzelt Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht, bei denen ein Polizist niedergestochen wurde. Die Regierung kündigte Preissenkungen für Grundnahrungsmittel wie Zucker und Speiseöl an. Mehr als 1100 Menschen waren bei Ausschreitungen in den vergangenen Tagen festgenommen worden. Zeitweise waren die Mobilfunkdienste gestört.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, sagte, die Bundesregierung erwarte von den nordafrikanischen Partnerländern die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte. "Es ist die Aufgabe der Regierungen, das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu schützen und Gewalt zu verhindern", erklärte Löning. Erstmals äußerte sich auch die französische Regierung zu den seit Mitte Dezember anhaltenden Unruhen in der ehemaligen Kolonie Tunesien und rief allgemein zur Mäßigung auf.

Die blutigen Unruhen in Tunesien stellen nach Ansicht des Auswärtigen Amtes derzeit keine Gefahr für Touristen in den beliebten Feriengebieten des Landes dar. Die Ausschreitungen richteten sich nicht gegen westliche Urlauber, erklärte ein Sprecher. Urlaubsorte wie die Insel Djerba seien nicht betroffen, die Polizei schirme sie weiträumig ab. Das Auswärtige Amt rief aber bei Reisen nach Tunesien und Algerien generell zu erhöhter Vorsicht auf.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/juwe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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