Tunesien:Massenimpfung soll Infektionsrate bremsen

Um die katastrophale Corona-Lage in Tunesien in den Griff zu bekommen, hat am Sonntag eine Impfaktion für bis zu eine Million Bürger im Land begonnen. Tausende standen allein in der Hauptstadt Tunis schon morgens vor den Impfzentren Schlange. Alle Bürger ab 40 Jahren waren aufgerufen. Eine erfolgreiche Impfkampagne ist für Präsident Kaïs Saïed und seinem kürzlich initiierten Umbau des politischen Systems von großer Bedeutung. Bislang liefen die Impfungen schleppend: Nur acht Prozent der 11,5 Millionen Einwohner sind vollständig gegen das Coronavirus immunisiert. Die Alpha- und die Delta-Variante wüten gleichzeitig. Täglich werden 2000 bis 3000 Neuinfektionen gemeldet. Tunesien hat zudem eine der höchsten Todesraten der Welt. Seit Beginn der Pandemie starben fast 21 000 Covid-Erkrankte. In sozialen Medien kursierten Videos von Patienten, die in Krankenhausfluren erstickten.

Die katastrophale Corona-Lage verschärfte die Unzufriedenheit mit der politischen Führung. Statt sich um die Pandemie zu kümmern, verstrickten sich Präsident Saïed, der jüngst abgesetzte Premier sowie Parlamentspräsident und Ennahda-Chef Rached Ghannouchi in Dispute. Während des Kampfs um die Machtverteilung blieben Reformen und eine wirksame Corona-Strategie liegen. Immer wieder forderten Demonstranten deshalb den Rücktritt der Regierung und die Auflösung des Parlaments. Nach Protesten vor zwei Wochen setzte Saïed den Premier ab und fror die Arbeit des Parlaments für zunächst 30 Tage ein. Ein Großteil der Bürger unterstützt laut Umfragen Saïeds Schritte.

© SZ vom 09.08.2021 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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