Süddeutsche Zeitung

Tunesien:Fast wie Fußball

Das nordafrikanische Land wählt am Sonntag einen neuen Präsidenten und erlebt seine erste TV-Debatte.

Von Moritz Baumstieger

Der Afrika-Cup, das letzte Fußballturnier, an dem Tunesien teilnahm, liegt fast zwei Monate zurück. Dennoch könnte man im Land den Eindruck gewinnen, es sei wieder Match Time: Seit Samstag versammeln sich abends Familien vor den Fernsehern, Café-Betreiber bauen Großleinwände auf, in Hinterhöfen veranstalten Freundeskreise ihr eigenes Public Viewing. Sobald die Übertragungen begonnen haben, sind vielerorts Anfeuerungsrufe oder empörte Schreie zu hören, wenn der Gegner Foul gespielt hat.

Bei dem aktuellen kollektiven Fernsehmomenten in Tunesien stehen sich jedoch nicht 22 Männer in kurzen Hosen auf einem Rasen gegenüber. Es gibt insgesamt 26 Bewerber, von ihnen treten zwei Damen und 22 Herren in einem blau ausgeleuchteten Studio an gläsernen Rednerpulten gegeneinander an, jeweils in Grüppchen zwischen acht und zehn Kandidaten. Das Mutterland des Arabischen Frühlings wählt am kommenden Sonntag einen neuen Präsidenten und erlebt seine erste TV-Debatte. Verschiedene Kandidaten über den richtigen Weg in die Zukunft streiten zu sehen, waren bei allem Frust über die teils mageren Ergebnisse der Demokratisierung für viele Tunesier historische Momente. Und weil die neue Verfassung die Medien verpflichtet, allen Kandidaten gleichermaßen Aufmerksamkeit zu schenken, luden die Organisatoren eben alle 26 Bewerber ein. Ausgerechnet einer der Favoriten, der TV-Mogul Nabil Karoui, blieb dem Format jedoch fern: Er sitzt wegen Geldwäscheverdacht in Untersuchungshaft.

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Quelle:
SZ vom 10.09.2019
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