Türkisches Parlament:Debatte über Erdoğans Justizreform löst Tumulte aus

Demonstrators shout slogans during a protest against Turkey's ruling Ak Party (AKP) government over a corruption probe in Ankara

20.000 gingen am Wochenende auf die Straße und protestierten gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan und sein Kabinett.

(Foto: REUTERS)

Als Konsequenz aus dem Korruptionsskandal will Ministerpräsident Erdoğan auch die Justiz umkrempeln und sich mehr Einfluss verschaffen. Die Diskussion seines Vorhabens im Parlament endet in einer Prügelei zwischen Abgeordneten. Tausende Bürger protestieren gegen die Regierung.

Beratungen über eine von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan angestrebte Justizreform führten zu Tumulten im türkischen Parlament. Wie mehrere Medien berichteten, kam es bei einer Sitzung des Justizausschusses am Samstag zu einer Prügelei. Mehrere Abgeordnete hätten aufeinander eingeschlagen.

Es seien Gegenstände, darunter Wasserflaschen und ein iPad, durch die Luft geflogen. Augenzeugenberichten zufolge sprang ein Abgeordneter auf einen Tisch und trat nach einem Kollegen.

Justizminister deutet Einlenken an

Der Streit war ausgebrochen, weil Abgeordnete der Oppositionspartei CHP Erdoğans Vorhaben als "verfassungswidrig" kritisiert und eine Zurücknahme der Pläne verlangt hatten. Durch die Reform würde die türkische Regierung mehr Macht bei der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten erhalten.

Der umstrittene Gesetzesentwurf von Erdoğans islamisch-konservativer Regierung sieht vor, den "Höchsten Rat der Richter und Staatsanwälte" (HSYK), ein Justizkontrollgremium, zu reformieren. Demnach soll dem Justizministerium unter anderem das letzte Wort bei der Besetzung juristischer Schlüsselfunktionen gegeben und dem Rat das Recht entzogen werden, Regierungsdekrete zu genehmigen.

Inzwischen deutete Justizminister Bekir Bozdag jedoch ein mögliches Einlenken der Regierung an. Sollten die Fraktionen im Parlament einen Konsens erzielen, "könnte der Vorschlag zurückgezogen werden", sagte er dem türkischen Fernsehsender NTV. Der Hohe Richterrat hatte die Reformpläne zuvor als "verfassungswidrig" zurückgewiesen.

Erdoğans Regierung wird derzeit von einem Korruptionsskandal erschüttert. Istanbuler Staatsanwälte hatten im Dezember Dutzende Verdächtige festnehmen lassen, darunter die Söhne von zwei Ministern. Bei dem Skandal geht es unter anderem um bestochene Politiker, verheimlichte illegale Goldgeschäfte des staatlichen Kreditinstituts "Halkbank" mit Iran und um rechtswidrige Bauvorhaben. Im Zuge der Affäre wurden Hunderte Polizisten strafversetzt und fast das halbe Kabinett ausgetauscht.

Wegen des Korruptionsskandals gingen in der türkischen Hauptstadt Ankara am Wochenende etwa 20.000 Demonstranten gegen die Regierung von Ministerpräsident Erdoğan auf die Straße. Einige von ihnen hielten Plakate mit dem Bild des Regierungschefs in die Höhe, auf denen "Lügner" und "Dieb" stand.

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