Türkischer Präsident Gül in Deutschland:Klare Worte unter Freunden

Die Türkei will in die EU - als Mitglied, nicht als "strategischer Partner". Das hat der türkische Präsident Gül bei seinem Staatsbesuch in Berlin klargemacht. Güls Kritik am deutschen Einwanderungsgesetzt wies die Bundesregierung zurück.

Freundschaftliche Gesten und klare Worte: Zum Auftakt seines Staatsbesuchs in Deutschland hat der türkische Präsident Abdullah Gül den Wunsch nach einem EU-Beitritt der Türkei bekräftigt. "Von diesem strategischen Ziel werden wir nicht abrücken", sagte Gül am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Christian Wulff in Berlin. Die Formulierung "strategische Partnerschaft", die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Türkei angeboten hat, lehnt Gül ab. Die Türkei müsse die Chance erhalten, die ins Stocken geratenen Verhandlungen mit der EU erfolgreich abzuschließen.

Bundespräsident Wulff sprach von "fairen und ergebnisoffenen Beitrittsverhandlungen". Deutschland habe hier eher eine Vermittlerrolle und sei nicht besonders kritisch gegenüber dem türkischen EU-Beitritt. "Die Türkei muss sich anstrengen, Europa aber auch", sagte Wulff.

Er hob die gewachsene internationale Verantwortung der Türkei hervor und forderte, die Veränderungen in der arabischen Welt als Chance zu begreifen. Die Türkei könne mit ihrer Verbindung von Pluralismus und Islam Vorbild sein für arabische und nordafrikanische Länder. Beide Seiten hoben den engen und freundschaftlichen Charakter der deutsch-türkischen Beziehungen hervor und kündigten eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit an.

Dem Wunsch der Türkei nach einer Liberalisierung der deutschen Visapolitik brachte Wulff Verständnis entgegen. Die Visapflicht für türkische Geschäftsleute sei nach Ansicht Güls ein Hindernis für den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Zugleich verteidigte er das von Gül im Vorfeld kritisierte deutsche Einwanderungsrecht, wonach künftige Ehepartner aus der Türkei vor ihrer Einreise deutsche Sprachkenntnisse nachweisen müssen.

Mit einer anderen Forderung stieß Gül hingegen auf wenig Gegenliebe: Er kritisierte das 2007 verschärfte deutsche Einwanderungsrecht, wonach künftige Ehepartner aus der Türkei vor ihrer Einreise deutsche Sprachkenntnisse nachweisen müssen.

Für die Bundesregierung sagte Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), die Kritik entbehre jeder Grundlage. "Deutschkurse sind von unmittelbarem Nutzen für die Zuwanderer", betonte sie. Auch Wulff sagte, insbesondere türkische Frauen dürften wegen mangelnder Sprachkenntnisse "nicht in einer Parallelgesellschaft verharren."

Am Vormittag hatten die Finanzminister Deutschlands und der Türkei, Wolfgang Schäuble (CDU) und Mehmet Simsek, ein neues Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet. Die beiden Staatsoberhäupter lobten dies als wichtigen Schritt, um verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen und den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu beschleunigen.

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