Türkischer Präsident:Erdoğan dementiert Lob für Hitler-Deutschland

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Der türkische Präsident Erdoğan: Wurden seine Worte aus dem Zusammenhang gerissen? (Foto: dpa)
  • Erdoğan nennt Hitler-Deutschland als Beispiel für ein effizientes Präsidialsystem.
  • Ein Regierungsvertreter relativiert später Erdoğans Worte.

Erdoğan sieht sich falsch verstanden

Mit einem Verweis auf Hitler-Deutschland hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan für Unruhe gesorgt. Äußerungen vor Journalisten wurden vielfach so gedeutet, als sehe er das nationalsozialistische System als positives Beispiel für das von ihm angestrebte, effiziente Präsidialsystem. Das Büro Erdoğans bestritt jedoch, dass dieser sich positiv über Hitler-Deutschland geäußert habe.

Es sei "inakzeptabel", dass die Bemerkungen Erdoğans als "positive Referenz" zum Nationalsozialismus "interpretiert" würden, teilte Präsidentenbüro am Freitag mit. Der Präsident habe im Gegenteil den Holocaust und den Antisemitismus ebenso wie Islamfeindlichkeit als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Hitler-Deutschland sei "ein schlechtes Beispiel, das katastrophale Folgen" für das politische System gehabt habe, "sei es parlamentarisch oder präsidial".

Ein Erdoğan-Sprecher sagte der Nachrichtenagentur Reuters zudem, es habe "gute und schlechte Beispiele für Präsidialsysteme" gegeben. "Nazi-Deutschland, wo die angemessenen institutionellen Regelungen fehlten, war offenkundig eines der schändlichsten Beispiele in der Geschichte."

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Von Julia Ley

Was Erdoğan sagte

Erdoğan, der als Präsident mehr Machtbefugnisse und ein starkes Präsidialsystem anstrebt, hatte am Donnerstag vor Journalisten gesagt, dass ein Präsidialsystem auch in einem Land mit einheitlicher Staatsstruktur wie der Türkei gut bestehen könne. Und dann sprach er diese Sätze, mit denen ihn unter anderem die türkische Hürriyet zitiert: "Es gibt dafür bereits Beispiele in der heutigen Welt, und es gab Beispiele in der Vergangenheit. Man kann es sehen, wenn man Hitler-Deutschland betrachtet." Auch später habe es in anderen Ländern Beispiele dafür gegeben.

Erdoğan will seine Position stärken

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Erdoğan will eine umstrittene Verfassungsreform durchsetzen, um seine Position als Präsident zu stärken und die Türkei zu einem Präsidialsystem umzubauen. Ihm schwebt eine Rolle als Staatschef wie in den USA, Russland oder Frankreich vor.

Trotz der erreichten absoluten Mehrheit seiner islamisch-konservativen AKP im Parlament fehlt der Partei aber die nötige verfassungsändernde Mehrheit. Die Oppositionsparteien lehnen das vorgeschlagene Präsidialsystem geschlossen ab. Sie werfen Erdoğan schon jetzt ein Abgleiten in eine autoritäre Herrschaft vor.

© SZ.de/AFP/Reuters/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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