Süddeutsche Zeitung

Türkische Wirtschaftspolitik:In der Krise der Lira wirkt Erdoğan hilflos

Die türkische Währung hat seit Jahresbeginn mehr als zwanzig Prozent an Wert verloren. Der Präsident will das stoppen - mit einem Appell, der wenig bewirken wird.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Recep Tayyip Erdoğan führt sein Land mit harter Hand, doch es gibt einen Bereich, in dem seine Macht endet: den Finanzmarkt. Seit Monaten fällt der Kurs der Lira, der Währung des Landes, viele Türken fürchten um ihr Geld und tauschen es in Euro und Dollar um, ebenso internationale Investoren, die die politische Entwicklung in der Türkei beunruhigt. Währendessen liegt die Inflation bei zehn Prozent pro Jahr.

Für den Präsidenten ist dies eine gefährliche Mischung: Wenn der Wohlstand schwindet, Lebensmittel teurer werden und die Währung, die ja auch für die Stärke oder Schwäche einer Wirtschaft steht, ständig an Wert verliert, kann dies bei den Wahlen am 24. Juni viele Wähler in die Arme der Opposition treiben. Erdoğan hat deshalb all jene Türken, die ihr Vermögen in Euro und Dollar horten, dazu aufgefordert, ihr Geld in Lira umzutauschen - auf dass ihr Wert wieder steige.

Solch hilflose Appelle dürften wenig bringen, denn im Zweifel werden selbst Erdoğan-Anhänger lieber ihr Vermögen sichern. Schon gar nicht werden sich internationale Anleger beeindrucken lassen. Deshalb wird Erdoğan bis zur Wahl wohl noch stärker als bisher gegen ausländische Spekulanten wettern und sie für den Lira-Sturz verantwortlich machen. Als Populist versteht er sich nun mal darauf, Sündenböcke zu suchen.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2018
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