Aber nicht nur, und vielleicht ist das eines der Geheimnisse des erstaunlichen Erfolgs einer aus der Türkei nach Deutschland importierten islamischen Bewegung, die dem offiziellen türkischen Staatsislam der Moscheegemeinden distanziert gegenüber steht. Der Religionswissenschaftler Michael Blume, in der Stuttgarter Staatskanzlei zuständig für Beziehungen zu nicht-christlichen Religionen, zieht "Parallelen zum den evangelischen Pietisten". Die bauten auch keine eigenen Gotteshäuser, aber trafen sich in erbaulichen Lesezirkeln.
Er gilt als einflussreicher Prediger und Intellektueller: Fethullah Gülen (hier bei einem Treffen im Jahr 1998 mit Papst Johannes Paul II.).
(Foto: Foto: Buddy Bartelsen)Wie die frühen Pietisten aber stießen auch die Gülen-Leute auf "massives Mißtrauen", so Blume, weil ihre Strukturen der Öffentlichkeit gewöhnlich verborgen bleiben. Der Schritt ins Rampenlicht aber ist ebenfalls nicht ohne Risiko. Die Jüngeren in der muslimischen Bewegung haben darauf gedrängt. Sie sind in Deutschland geboren und sagen, wie der 28-jährige Ercan Karakoyun, der Organisator des Berliner Kongresses: "Wir müssen das Selbstvertrauen haben und betonen, wir sind nicht gefährlich, wir brauchen uns nicht zu verstecken."
"Zukunftsoptimus statt Apokalypse"
Karakoyuns Geschichte kann gut erklären, warum türkische Aufsteiger aus religiös-konservativen Familien gerade in Deutschland von Gülen fasziniert sind. Der Soziologe Karakoyun wuchs in Schwerte an der Ruhr auf. "Alles war deutsch, meine Freunde, der Fußballverein." Aber wenn er in die Moschee ging, dann hörte er, wie der Imam zu den Betern sagte, "beschützt Eure Kinder vor den Ungläubigen". Karakoyun hat die innere Spannung nicht vergessen, die solche Worte in ihm auslösten. Nach dem Abitur entdeckte er die Schriften des Toleranz-Predigers Gülen, von dem Karakoyun schwärmt: "Er ist für mich einer wie Martin Luther King."
Blume sagt, Gülen biete "Zukunftsoptimus statt Apokalypse". In der Türkei hat das Netzwerk Sympathisanten bis hoch in die Regierung. Deshalb ist es dort auch Gegenstand des politischen Machtkampfs- mit Folgen bis Deutschland. "Schließt die Schulen", wurde Blume von türkischen Gegnern der Bewegung aufgefordert. "Wenn ich ihnen sage, dafür gibt es keinen Grund, fordern sie, dann erfinde einen."