Süddeutsche Zeitung

Türkei:Die ehemalige Atatürk-Partei stemmt sich gegen Erdoğans Referendum

Kemal Kılıçdaroğlu, Chef der säkularen Oppositionspartei, glaubt daran, dass das türkische Volk gegen die Verfassungsreform stimmen wird. Von Kanzlerin Merkel ist er enttäuscht.

Von Mike Szymanski

Der türkische Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu warnt vor dem "Ende der Demokratie in der Türkei", sollte sich Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mit seinem Plan für ein Präsidialsystem im Referendum durchsetzen. "Erdoğan wird mit Dekreten regieren. Das Parlament wird zum Abnicker-Gremium. In anderen Worten: Der Ausnahmezustand wird zum Dauerzustand", sagte der Vorsitzende der säkularen Partei CHP im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Er gehe davon aus, dass sich die Bürger im anstehenden Referendum gegen die Verfassungsreform aussprechen, die Erdoğans Machtbefugnisse deutlich ausweiten würde. Er setzt auf einen breiten Protest in der Bevölkerung, der weit über die Anhängerschaft seiner Partei hinausgehe. "Im 21. Jahrhundert ist kein Platz für Diktatoren", sagte Kılıçdaroğlu.

Kritisch äußerte er sich zum geplanten Arbeitsbesuch von Kanzlerin Angela Merkel. Sie will am Donnerstag in die Türkei reisen. Aus Kılıçdaroğlus Sicht laufe Merkels Besuch auf Wahlkampf-Hilfe für Erdoğan hinaus. "Seine Botschaft wird lauten, dass sie mit ihrem Besuch seinen Plan unterstützt."

Es sei nicht das "einzige Mal", dass er sich von der Kanzlerin enttäuscht fühle. Als führende Akteurin auf europäischer Bühne trage sie eine Mitverantwortung daran, dass der Beitrittsprozess nur schleppend verlaufen sei. "Wir erwarten, dass die Türkei so schnell wie möglich Vollmitglied der Europäischen Union wird. Wir wollen sehen, dass Merkel hart daran arbeitet", sagte der Oppositionsführer. Die Vollmitgliedschaft sei wichtig für "die Sicherheit und den Frieden in Europa, in der Türkei und im mittleren Osten".

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