Türkei und Israel:Aus Feind wird Freund

Ein blutiger Zwischenfall hat vor fünf Jahren zu einem Bruch geführt. Jetzt wollen sich die Türkei und Israel wieder versöhnen.

Von Peter Münch und Luisa Seeling, Tel Aviv/München

Israel und die Türkei wollen nach jahrelangem Streit ihre Beziehungen wieder normalisieren. Israelischen und türkischen Medienberichten zufolge haben Emissäre beider Länder bei einem Geheimtreffen in der Schweiz in dieser Woche die Grundzüge eines Versöhnungsabkommens festgelegt. Damit soll ein Schlussstrich unter einen blutigen Zwischenfall im Mittelmeer gezogen werden. Im Mai 2010 hatte die israelische Marine das mit Hilfsgütern beladene Schiff Mavi Marmara gestürmt, mit dem pro-palästinensische Aktivisten die Seeblocke des Gazastreifens durchbrechen wollten. Dabei wurden acht Türken und ein Amerikaner getötet. Ein weiterer Türke erlag später seinen Verletzungen. Die zuvor freundschaftlichen Beziehungen schlugen daraufhin in einen feindseligen Konflikt um.

Israel soll der vorläufigen Übereinkunft zufolge nun 20 Millionen Dollar in einen Entschädigungsfonds zahlen, der den Hinterbliebenen der getöteten Aktivisten zugute kommen würde. Bevor die Botschafter beider Länder auf ihre Posten zurückkehren, sollen im Gegenzug in der Türkei alle Verfahren gegen israelische Armeeangehörige eingestellt werden, die an der Mavi-Marmara-Aktion beteiligt waren. Überdies soll sich die Regierung in Ankara bereit erklärt haben, einen von Istanbul aus operierenden hohen Hamas-Funktionär auszuweisen. Zur Vereinbarung gehört demnach auch der Plan, eine israelische Gasleitung in die Türkei zu verlegen.

Um eine solche Übereinkunft wird seit Jahren gerungen. Auch US-Präsident Barack Obama hatte sich eingeschaltet und Israels Premier Benjamin Netanjahu 2013 zu einem Telefongespräch genötigt, in dem er sich beim damaligen türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan für den Tod der Türken entschuldigte. Bisher aber blieben alle Versuche, den Konflikt beizulegen, erfolglos.

Am Montag dann zitierte die Zeitung Yeni Şafak Erdoğan, der 2014 ins Amt des Präsidenten gewechselt ist, mit den Worten, es gebe "so viel, von dem die Region durch einen solchen Normalisierungsprozess gewinnen könnte". Ein Satz, den Erdoğan vor allem auf die außenpolitische Lage seines Landes gemünzt haben dürfte: 2010 war die Hinwendung der Türkei zur arabischen Welt in vollem Gange, den Bruch mit Israel hielt Ankara damals wohl für verkraftbar. Heute ist die Lage völlig anders: Im Nachbarland Syrien tobt ein Bürgerkrieg, die Beziehungen zum Irak sind angespannt, ebenso zu Ägypten. Das Verhältnis zu Moskau hat sich massiv verschlechtert, nachdem die Türkei Ende November im türkisch-syrischen Grenzgebiet einen russischen Jet abgeschossen hat. Derzeit deckt die Türkei einen Großteil ihres Gasbedarfs mit Lieferungen aus Russland, doch angesichts des Konflikts mit Moskau ist Ankaras Interesse an künftigen Gasimporten aus Israel groß. Der Handel zwischen beiden Ländern ist ohnehin nie eingebrochen. Ungeachtet der politischen Eiszeit ist sein Volumen in den vergangenen Jahren gewachsen; im vorigen Jahr lag es bei fast 5,5 Milliarden Dollar.

Zur alten Blüte dürften die Beziehungen jedoch auch nach einer Normalisierung nicht mehr reifen, weil Erdoğan sich in der Vergangenheit zum Großkritiker Israels und Paten der palästinensischen Hamas aufgeschwungen hat. Unklar bleibt zudem, ob er von seiner Forderung abrückt, dass vor einer Versöhnung mit Israel die Gaza-Blockade aufgehoben werden müsse.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: