Türkei:Türkische Diplomaten suchen Asyl in Deutschland

A German national flag is set up next to Turkish national flags at apartment building in Berlin

Deutsche und türkische Nationalflaggen an einem Wohnhaus in Berlin

(Foto: REUTERS)
  • Nach dem Putschversuch im Juli widerrief das türkische Außenministerium die Gültigkeit von Hunderten Diplomatenpässen.
  • In Deutschland waren acht türkische Diplomaten betroffen, wie das Außenministerium in Ankara dem Auswärtigen Amt mitteilte.
  • Während einige von ihnen ausreisten, baten andere formal um Asyl in Deutschland.

Von Georg Heil, Georg Mascolo und Nicolas Richter, Berlin

Nach dem fehlgeschlagenen Putsch in der Türkei suchen türkische Diplomaten humanitären Schutz in Deutschland. Nach Angaben aus Regierungskreisen sind mindestens drei Fälle bekannt, darunter offenbar auch ein Militärattaché der türkischen Botschaft in Berlin. Dies hat eine Recherche der Süddeutschen Zeitung, des NDR und des WDR ergeben. Die schwierigen deutsch-türkischen Beziehungen könnten damit vor einer neuen Belastungsprobe stehen.

Unmittelbar nach dem Putschversuch Mitte Juli hatte die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan damit begonnen, mutmaßliche Helfer und Mitwisser zu verfolgen. Dies betraf neben Politikern und Richtern auch Diplomaten, die angeblich an dem gescheiterten Staatsstreich mitgewirkt hatten. Das türkische Außenministerium widerrief damals die Gültigkeit von Hunderten Diplomatenpässen.

In Deutschland waren acht türkische Diplomaten betroffen, wie das Außenministerium in Ankara dem Auswärtigen Amt mitteilte. Die Diplomaten wurden offenbar verdächtigt, Anhänger der Gülen-Bewegung zu sein, welche die türkische Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht. Während einige von ihnen ausreisten, baten andere formal um Asyl in Deutschland. Gegenüber Abgeordneten des Bundestages nannten Vertreter des Innenministeriums die Zahl drei. Diese Zahl könne aber auch höher sein, heißt es mittlerweile in Regierungskreisen.

Burkhard Lischka, der innenpolitische Sprecher der SPD, verlangte, den Asylsuchenden entgegenzukommen. "Angesichts der Verfolgung von Regierungskritikern in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch muss es eine Selbstverständlichkeit für den deutschen Rechtsstaat sein, die Anträge von Botschaftsangehörigen für einen Aufenthalt in Deutschland sorgfältig und wohlwollend zu prüfen."

Als besonders heikel gilt der Fall des ehemaligen türkischen Militärattachés

Außenpolitisch sind die Fälle heikel, weil sie das deutsch-türkische Verhältnis weiter strapazieren könnten. Sollten die Diplomaten in Deutschland mit der Begründung Asyl erhalten, dass sie in ihrer Heimat politisch verfolgt werden, so würde die türkische Regierung dies wohl als Brüskierung durch die Bundesregierung empfinden. Deutschland und die Türkei sind enge Verbündete, unter anderem im Militärbündnis Nato. Auch setzt die Europäische Union in der Flüchtlingspolitik auf die Hilfe der Türkei.

Doch hat das Verhältnis zuletzt gelitten. Im Juni beschloss der Bundestag die Armenier-Resolution, in der Verbrechen an der armenischen Minderheit im Osmanischen Reich 1915 und 1916 als Völkermord bezeichnet werden. Die Türkei zog aus Protest ihren Botschafter ab. Gerade in diesen Tagen versuchen die Regierungen beider Länder, die Beziehungen zu normalisieren. Der türkische Botschafter ist soeben nach Berlin zurückgekehrt, das Auswärtige Amt sieht darin einen "wichtigen positiven Schritt in den bilateralen Beziehungen".

In Berliner Regierungskreisen hieß es, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe über die Asylanträge der Diplomaten noch nicht entschieden. Es sei auch keine Eile geboten, weil die Diplomaten ohnehin vor einer Abschiebung geschützt seien, solange das Verfahren laufe. Bisher soll die türkische Regierung auch nicht dagegen protestiert haben, dass die Diplomaten in Deutschland verharren.

Heftige Auseinandersetzungen in der türkische Botschaft in Berlin

Als besonders heikel gilt der Fall des ehemaligen türkischen Militärattachés in Berlin. Die Zeitung Hürriyet berichtete vor zwei Wochen, Oberst Ayhan Dağli sei seit dem Putsch verschwunden, ebenso dessen Ehefrau. Das Blatt spekulierte, dass er um Asyl gebeten haben könnte. Nach Recherchen von SZ, NDR und WDR soll er zum Kreis der Diplomaten gehören, die nun in Deutschland Schutz suchen.

Nach bislang unbestätigten Informationen aus türkischen Sicherheitsbehörden sollen Putschisten in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli geplant haben, die türkische Botschaft in Berlin unter ihre Kontrolle zu bringen. Angeblich hätten sich Botschaftsmitarbeiter, die der türkischen Regierung gegenüber loyal waren, auf eine Konfrontation mit den Putschisten eingestellt und sich in einer Etage der Botschaft verbarrikadiert.

Aus Kreisen der Bundesregierung verlautete, es sei bekannt, dass es in der türkischen Botschaft nach dem Putsch zu erheblichen Auseinandersetzungen gekommen sei. Ein Botschaftssprecher bestritt auf Anfrage "einen Angriff der Putschisten", räumte aber ein: "Es ist richtig, dass einige Diplomaten zurück in die Türkei gerufen worden sind.

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