Türkei:Trump bringt Erdoğan in Not

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Mit Strafzöllen auf Stahl und Aluminium setzt der US-Präsident den Nato-Partner Türkei massiv unter Druck: Die Lira stürzt ins Bodenlose, der Staatschef in Ankara muss die Bevölkerung beruhigen.

Von Christiane Schlötzer und Markus Zydra

Der eskalierende politische Streit mit den USA führt die Türkei immer tiefer in die Krise. US-Präsident Donald Trump heizte die Auseinandersetzung mit dem Nato-Partner am Freitag weiter an, indem er eine Erhöhung der Strafzölle ankündigte. Trump twitterte: "Ich habe gerade eine Verdoppelung der Zölle auf Stahl und Aluminium für die Türkei bewilligt." Prompt stürzte die türkische Lira ins Bodenlose.

Das Außenministerium in Ankara kündigte am Freitagabend Vergeltung an. Die USA sollten wissen, dass sie Kooperation nicht mit Sanktionen und Unterdrückung erreichen. Es werde auf alle Schritte gegen die Türkei eine Antwort geben.

Handelsministerin Ruhsar Pekcan erklärte kurz darauf indes, "wir flehen Präsident Trump an, an den Verhandlungstisch zurückzukehren".

Bereits in der Nacht zum Freitag hatte die Lira dramatisch an Wert verloren. Seit Recep Tayyip Erdoğan regiert, seit 2003, hat es keinen derartigen Absturz gegeben. Der Präsident versuchte seine Landsleute zu beruhigen. In der Schwarzmeerstadt Rize nannte er bereits am Donnerstagabend als Grund für die Kursverluste "verschiedene Kampagnen" gegen sein Land. "Beachtet sie nicht", rief er seine Anhänger auf: "Vergesst nicht, sie mögen ihre Dollars haben, doch wir haben unser Volk, unser Recht und unseren Gott." Am Freitag sagte Erdoğan, die Türkei werde "den Wirtschaftskrieg gewinnen".

Die Lira bewegt sich schon seit Jahresanfang nach unten. In der Nacht zum Freitag aber stürzte sie zunächst um 13 Prozent ab, nach Trumps Äußerung zeitweise sogar um 23,6 Prozent. Sie übersprang erstmals klar die Marke von sechs Lira für einen Dollar. Der Euro erreichte erstmals einen Wert von etwa sieben Lira.

Hintergrund des Streits sind auch außenpolitische Differenzen über die Politik in Syrien. Eine wesentliche Rolle aber spielt der Fall des amerikanischen Pastors Andrew Brunson. Dieser wurde nach dem Putschversuch in der Türkei 2016 verhaftet, als angeblicher Spion und Putschistenhelfer. Brunson, 50, der seit mehr als 20 Jahren eine kleine Missionsgemeinde in Izmir führt, bestreitet alle Vorwürfe. Ende Juli wurde er vom Gefängnis in den Hausarrest entlassen. Washington verlangt seine Freilassung. Die USA haben wegen Brunson auch Sanktionen gegen zwei türkische Minister verhängt - ein einmaliger Vorgang unter Nato-Partnern. Nach dem Liraabsturz verzögerte sich am Freitag in Istanbul ein geplanter Auftritt von Finanzminister Berat Albayrak um Stunden. Am Nachmittag stellte Albayrak im Dolmabahçe-Palast dann sein "neues ökonomisches Modell" vor. Er versprach, die türkische Zentralbank werde unabhängig bleiben. Zudem kündigte er strenge Haushaltsdisziplin an. Vor der Präsidentenwahl im Juni hatte Erdoğan noch viele Wahlgeschenke verteilt.

Albayrak ist Erdoğans Schwiegersohn. Der Verfall der Lira und die steigende Inflationsrate belasten die türkischen Verbraucher. Auslandsreisen können sich viele kaum noch leisten. In einer Woche beginnt das Opferfest, traditionell eine Reise- und Ferienzeit. Aber nicht alle leiden unter dem Kurssturz. Türkische Exporte werden billiger. Die Zeitung Yeniçağ kommentierte, die Regierung werde den Verfall der Lira nicht bremsen, weil sie dringend Investitionen aus dem Ausland brauche. Das Bild der türkischen Wirtschaft ist im Moment gemischt. Die Fluggesellschaft Turkish Airlines zum Beispiel meldete am Freitag eine Auslastung von gut 85 Prozent im Juli und im Frachtbereich ein Wachstum von 20 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr, mit Zuwächsen vor allem im Nahen Osten, aber auch in Afrika, Europa und Nordamerika.

Der Kurssturz zeigt auch: Die internationalen Finanzmärkte misstrauen der Türkei. Das Land hat sich im Ausland stark verschuldet. Viele Firmen und Privatpersonen müssen Fremdwährungskredite bedienen, dies wird immer schwieriger. Die Bankenaufsicht der EZB prüft deshalb, wie betroffene europäische Institute einen möglichen Kreditausfall verkraften würden. Spanische Banken sind mit 82 Milliarden Dollar am stärksten in der Türkei engagiert, zeigen Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Für deutsche Banken stehen laut BIZ rund 17 Milliarden Dollar auf dem Spiel. An den Börsen lassen sich die Sorgen deutlich ablesen. Die Kosten für türkische Kreditausfallversicherungen liegen auf dem höchsten Stand seit 2009.

Es gibt schon länger Gerüchte, Ankara könnte Kapitalverkehrskontrollen einführen. Manche Experten empfehlen dem Land, Hilfe beim Internationalen Währungsfonds zu suchen.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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