Es sind Bilder von Überwachungskameras, die den Angriff zeigen. Ein Mann und eine Frau, beide sind bewaffnet, offenbar kamen sie mit einem Taxi. Eigentlich dürfte das Gelände von Turkish Aerospace Industries (TAI), knapp 30 Kilometer nordwestlich von Ankara, gut bewacht sein, hier produziert einer der größten Rüstungskonzerne des Landes, vielleicht der wichtigste. Trotzdem gelang es offenbar zumindest einem der Angreifer, durch die Sicherheitsschleuse zu stürmen. Dazu berichteten türkische Medien von einer Explosion. Kurze Zeit später, so meldete es der türkische Innenminister Ali Yerlikaya, seien „zwei Terroristen neutralisiert“ worden.
Der türkische Innenminister Ali Yerlikaya teilte am Donnerstag auf X mit, einer der zwei getöteten Attentäter, die einen Anschlag in Ankara verübt haben, war offiziellen Angaben zufolge Mitglied der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Außer dem Mann war eine weitere Angreiferin beteiligt, die ebenfalls getötet wurde. Ihre Identität werde noch geprüft. Bislang hat die PKK den Anschlag nicht für sich reklamiert, sie wird von der Regierung aber dafür verantwortlich gemacht. Insgesamt sind fünf Menschen getötet und 22 Personen verletzt worden – drei davon sollen Berichten zufolge in kritischem Zustand sein.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan erreichte die Nachricht von dem Anschlag in Russland, wo er diese Woche erstmals am Gipfel der Brics-Staaten teilnimmt. Erdoğan sprach von einem „verabscheuungswürdigen Angriff, der auf das Überleben unseres Landes und den Frieden unserer Nation abzielt“.
Kurz darauf greift die Türkei Ziele in Nordsyrien und in Nordirak aus der Luft an. Man habe 32 Ziele zerstört, teilte das türkische Verteidigungsministerium laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit. „Unsere Luftangriffe werden auf entschlossene Weise fortgesetzt“, hieß es weiter. Die PKK hat ihr Hauptquartier in den nordirakischen Kandil-Bergen, die syrische Kurdenmiliz YPG, die sie als Ableger der PKK betrachtet, ist im Norden Syriens.
Vor allem in den Jahren um 2016 kam es auch in den Metropolen häufig zu Anschlägen
Die Türkei hat Erfahrung mit Terrorangriffen, vor allem in den Jahren um 2016 kam es auch in den Metropolen häufig zu Anschlägen. Als Täter bekannten sich entweder der „Islamische Staat“ oder, andererseits, die kurdische PKK-Miliz und weitere kurdische Extremisten. Zuletzt hatte sich die Sicherheitslage eigentlich verbessert, ganz zur Ruhe ist das Land aber nie gekommen. Im Oktober 2023 gelang der PKK ein Anschlag auf die Hauptstadt Ankara, ein Attentäter sprengte sich im dortigen Regierungsviertel in die Luft. Im November 2022 musste Istanbul einen Bombenanschlag auf der İstiklal-Straße erleben, der zentralen Einkaufsstraße.
Das Gelände von Turkish Aerospace, auch Tusaş genannt, dürfte für Terroristen schon lange ein potenzielles Ziel gewesen sein. Es ist einer der Konzerne, auf die man in der türkischen Regierung stolz ist. Mit eigenen Rüstungsfirmen will sich Präsident Erdoğan zunehmend unabhängig machen von Lieferungen aus dem Westen. Auf Projekte wie den Kampfjet Kaan wird die türkische Armee zwar noch eine Weile warten müssen, weswegen sich die Türkei gerade um 40 Kampfjets vom Typ Eurofighter bemüht. Die Drohnensparte aber produziert seit Langem in Serie.
Anka heißen die von Turkish Aerospace hergestellten Modelle, die die Türkei auch ins Ausland verkauft, in die Ukraine oder nach Aserbaidschan. Vor allem helfen die Drohnen der türkischen Armee selbst. In ihrem Krieg gegen die kurdische PKK nämlich, im Südosten des Landes und im Norden Syriens und des Irak, oft in unwegsamem Gelände, wo sich die Einheiten der PKK früher verschanzen konnten. Inzwischen haben die Drohnen der Armee einen entscheidenden Vorteil verschafft. Wobei es, wie nicht nur kurdische Aktivisten sagen, immer wieder auch zu zivilen Opfern kommt.
Die PKK kann sich auch im Gebirge nicht mehr sicher fühlen
Jedenfalls kann sich die PKK, anders als früher, auch im Gebirge nicht mehr sicher fühlen. Nach Jahren des Krieges sei die Miliz zu Angriffen in der Türkei selbst kaum mehr in der Lage, sagte selbst Erdoğan kürzlich. Damit begründete er, warum er die türkischen Militäreinsätze in Syrien und Irak demnächst beenden wolle. In den vergangenen Wochen zeigte sich nicht nur der Präsident offen für einen neuen Friedensprozess mit den Kurden; sogar sein Koalitionspartner Devlet Bahçeli, Parteichef der ultranationalistischen MHP, ein Intimfeind der Kurden, reichte kurdischen Abgeordneten im Parlament die Hand.
Bahçeli hatte diese Woche sogar die Idee geäußert, man könne Abdullah Öcalan freilassen, den seit 1999 auf einer Gefängnisinsel vor Istanbul inhaftierten Anführer der PKK – unter der Bedingung, dass Öcalan anschließend im türkischen Parlament das Ende der PKK verkünde. Der türkische Journalist Can Dündar, der im Exil in Berlin lebt, schrieb am Mittwochabend nach dem Anschlag auf X: Immer wenn in der Türkei von Frieden die Rede sei, komme „von irgendwo jemand, der ‚Nein, Krieg‘ sagt“.