Süddeutsche Zeitung

Militäroffensive in Syrien:Nato-Partner machen Druck auf die Türkei

  • Auf die Bundesregierung steigt der Druck, sich der türkischen Militäroffensive entschiedener entgegenzustellen.
  • Bundeskanzlerin Merkel forderte den türkischen Präsidenten Erdoğan auf, die Angriffe umgehend zu beenden. Es stehe zu befürchten, dass die Terrormiliz "Islamischer Staat" wieder an Einfluss gewinnt.
  • Auch die USA fordern die Türkei zur Deeskalation auf. Trump ordnete den Rückzug fast aller US-Soldaten aus Nordsyrien in den Süden des Landes an.

Von Daniel Brössler, Berlin, und Paul-Anton Krüger

In der Nato wächst der Druck auf das Mitgliedsland Türkei, die Offensive im Norden Syriens zu stoppen. In einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag für eine "umgehende Beendigung" der Militäroperation aus. Diese drohe zur Vertreibung größerer Teile der lokalen Bevölkerung zu führen, zur Destabilisierung der Region und zum Wiedererstarken der Terrormiliz "Islamischer Staat".

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte, die Bundesregierung werde keine Lieferungen von Waffen an die Türkei mehr genehmigen, die in Syrien eingesetzt werden könnten. Ähnliche Entscheidungen hatten zuvor die Nato-Staaten Frankreich, Niederlande und Norwegen sowie Finnland und Schweden verkündet. Die Errichtung eines Besatzungsregimes in Nordsyrien sei eine "Grenze, welche die Türkei nicht überschreiten darf", warnte Bundesverteidigungsministerin und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Auf die Bundesregierung stieg angesichts dramatischer Bilder aus Syrien der Druck, sich der Führung in Ankara entschiedener entgegenzustellen. "Die Beschränkung der deutschen Rüstungslieferungen an die Türkei ist ein erster, wichtiger Schritt", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich der Süddeutschen Zeitung. Erstrebenswert sei aber eine "gemeinsame europäische Verständigung über weitergehende Maßnahmen auch in anderen Bereichen der Zusammenarbeit". Dies gelte etwa für Vereinbarungen zur Zollunion und in diesem Zusammenhang geltende Präferenzregelungen. "Die Nato muss sich bereitfinden, die Mitarbeit der Vertreter der Türkei in den Ausschüssen auf ein Mindestmaß zu beschränken", forderte Mützenich. Auch das Einfordern der Bündnissolidarität durch die türkische Regierung müsse durch die Nato "deutlich zurückgewiesen werden". US-Verteidigungsminister Mark Esper forderte von der Türkei, die Situation zu deeskalieren, bevor es "irreparable" Folgen gebe. Die Offensive könne "ernsthafte Konsequenzen" für die Türkei haben, drohte er. Kongress und Regierung bereiten Sanktionen vor.

Die Türkei reagierte gelassen auf den von Nato-Partnern angekündigten Stopp von Waffenlieferungen. "Es stärkt uns nur", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu der Deutschen Welle. Er drohte erneut damit, Millionen syrische Flüchtlinge aus der Türkei über die Grenze nach Europa zu lassen.

US-Präsident Donald Trump ordnete inzwischen den Rückzug fast aller US-Soldaten aus Nordsyrien an. Es bestehe die Gefahr, dass die USA zwischen zwei sich gegenüberstehende Armeen gerieten, die in Nordsyrien vorrückten, erklärte Verteidigungsminister Esper dem Sender CBS. Das sei eine "sehr unhaltbare" Situation. Man wolle sicherstellen, dass keine US-Soldaten verletzt oder getötet würden. Die Rede war von weniger als 1000 Soldaten, die aus Nordostsyrien abgezogen werden. Am Sonntagabend meldete ein syrischer TV-Sender, syrische Truppen zögen nach Norden, um sich der Türkei entgegenzustellen.

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SZ vom 14.10.2019/leja
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